4. IGS: Antworten an Heidermarie Mundlos

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Antwort auf Heidemarie Mundlos von Ilona Lubitz und Urs Blanke

Sehr geehrte Frau Mundlos,

vielen Dank für Ihre Antwort zum Thema „Vierte IGS in Braunschweig“. Zu Ihren Ausführungen möchten wir einige Anmerkungen machen:

1. Den von Ihnen angestellten Vergleich zwischen Ihren früheren Bemühungen, für Ihre Kinder die Zeit an einer Orientierungsstufe zu umgehen, und der Tatsache, dass heute viele Eltern vergeblich auf einen Platz an einer IGS hoffen, halten wir für unangemessen. Schließlich ist es doch ein erheblicher Unterschied, ob ein Kind die gewünschte Schulform etwas später – wie im Fall Ihrer Kinder – oder gar nicht besuchen kann – wie die Schüler, die von den Gesamtschulen abgelehnt werden mussten.

2. Ihr Vorwurf, die Gesamtschulen würden bei den Anmeldungen in unangemessener Weise selektieren und sich somit der Mehrzahl der lern- oder verhaltensauffälligen Kinder entledigen, erscheint uns geradezu absurd. Das in Braunschweig angewendete Losverfahren basiert schließlich darauf, dass alle Schüler, die eine IGS besuchen möchten, je nach Leistungsbereich anteilig aufgenommen werden. Ein überproportionales Zurückweisen von Kindern mit Hauptschulempfehlungen findet demnach nicht statt. Einer Schulform, der nicht erlaubt wird, so viele Schüler aufzunehmen wie sie gerne möchte, genau dies dann auch noch vorzuwerfen, ist aus unserer Sicht empörend. Und auch Ihr Vorschlag, die bestehenden Gesamtschulen zu erweitern, erscheint uns aus pädagogischen Gründen nicht sinnvoll, da die Vergangenheit gezeigt hat, dass übergroße Schulen ein Irrweg sind.

3. Durch Ihre Antwort haben Sie unseren Eindruck, dass Ihre Ablehnung einer vierten IGS mehr durch ideologische denn durch sachliche Vorbehalte getragen ist, verstärkt. Die aktuellen Zahlen belegen eindeutig, dass es in Braunschweig den Bedarf für eine weitere IGS gibt. Allein mit den abgelehnten Kinder dieses Jahres ließe sich (mindestens) eine weitere Gesamtschule mit leistungsheterogener Schülerschaft gründen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Ilona Lubitz, Diplom-Psychologin
Ulf Blanke, Lehrer

Antwort der Schulleiter der Integrierten Gesamtschulen von Braunschweig

Sehr geehrte Frau Mundlos,

auf Ihre Anfrage vom 16.7.07 möchte ich Ihnen im Namen der drei Braunschweiger Gesamtschulen antworten.

Sie werden verstehen, dass die Schulleitungen der drei Gesamtschulen die in der Braunschweiger Zeitung vom 5. Juli 2007 geäußerten Verdächtigungen zurückweisen, Eltern seien dazu aufgefordert worden, sich gleichzeitig an zwei oder drei Gesamtschulen anzumelden. Weder die drei Schulleiter als niedersächsische Landesbeamte noch die kommunalen Mitarbeiterinnen in den Schulsekretariaten haben solche Äußerungen gemacht noch andere Personen dazu aufgefordert.

Sowohl die Landesschulbehörde als auch die Stadt Braunschweig als Schulträger sind im Besitz nachprüfbarer Daten über Anmeldungen und Aufnahmen.

Die Aufnahmen an Gesamtschulen sind in § 59a NSchG und durch Einzelerlass vom 18.11.2003 geregelt. Das Einvernehmen über das Aufnahmeverfahren wurde mit dem Schulträger im Dezember 2003/Januar 2004 hergestellt.

Danach wird:

  1. ein Losverfahren durchgeführt, wenn es mehr Anmeldungen als Plätze gibt,

  2. zur „Erreichung eines repräsentativen Querschnitts der Schülerschaft mit angemessenen Anteilen leistungsstärkerer wie leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung ihrer Leistungsbeurteilungen differenziert.“ (NSchG, § 59a, Abs. 1, Satz3),

  3. ein Aufnahmeausschuss je Schule gebildet, der aus Vertretern/innen der Schule, einer Person des Schulträgers und einer Person des Stadtelternrates besteht (Kann-Bestimmung).

  4. In dem Verfahren ist keine Härtefallregelung vorgesehen. Allerdings ist die Möglichkeit einer Vorwegaufnahme von Geschwisterkindern möglich. Von dieser Regelung macht nur die IGS Querum Gebrauch.

  5. Die Schulen „sind in der Gestaltung des Losverfahrens grundsätzlich frei.“ (Erlass vom 12.11.2003)

Im Aufnahmeantrag für die Gesamtschulen in Braunschweig wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Antrag als Erstwunsch nur an einer der drei Gesamtschulen gestellt werden darf.

Die Einhaltung dieser Vorgabe wird von den Schulsekretariaten durch einen Listenabgleich aller Anmeldungen geprüft. Es gibt immer einige (10 – 15) Doppel- bzw. Dreifachanmeldungen. Die betreffenden Eltern werden angerufen und müssen sich für eine Schule entscheiden. Aus den Listen der beiden anderen Schulen werden diese Anträge dann herausgestrichen und nicht mehr mitgezählt. Diese Listen liegen, wie bereits erwähnt, der Landesschulbehörde wie dem Schulträger vor.

Die Leistungsbereiche für das Losverfahren richten sich nach der Anzahl der Schullaufbahnempfehlungen für unterschiedliche weiterführende Schulformen im Einzugsbereich Braunschweig (Stand 2005), wonach 20,4 % Hauptschulempfehlungen, 31,9% Realschulempfehlungen sowie 47,8% Gymnasialempfehlungen ausgesprochen wurden.

Bezogen auf eine vierzügige IGS stellen sich die absoluten Zahlen wie folgt dar: 22 Plätze für potentielle Hauptschüler, 35 Plätze für potentielle Realschüler und 51 Plätze für potentielle Gymnasialschüler, wenn man Klassengrößen von 27 Kindern zugrunde legt. Dies ist notwendig, weil die Raumgrößen in der IGS Franzsches Feld und in der IGS Querum maximal 52 bis 54 Quadratmeter betragen.

Hinzuweisen ist darauf, dass sowohl die IGS Franzsches Feld wie die IGS Querum Integrationsklassen eingerichtet haben, die nach Erlass zur Führung von Integrationsklassen weniger Schüler als Sollstärke aufweisen.

Die Zuordnung zu den Leistungsbereichen erfolgt nach den Grundschulzensuren in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachkunde.

Anmeldungen und Aufnahmen an den drei Braunschweiger Gesamtschulen im Jahr 2007:

Leistungsbereich I = leistungsstarke Schüler/innen

Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass hier lediglich die Gesamtzahlen und nicht die für die einzelnen Schulen abgebildet sind. Für die Frage des Bedarfs nach einer weiteren Gesamtschule in Braunschweig sind letztere unerheblich.

Aus den Zahlen der herausgelosten Anträge ließe sich (mindestens) eine weitere integrierte Gesamtschule mit leistungsheterogener Schülerschaft gründen.

Wenn wir mit diesen Informationen zur Versachlichung der in Braunschweig entbrannten Debatte um eine weitere integrierte Gesamtschule beitragen können, würden wir uns freuen.

Die Informationen werden wir auch den anderen Parteien im Rat der Stadt Braunschweig zukommen lassen.

Mit freundlichen Grüßen
für die drei Gesamtschulen

Raimund Oehlmann
Schulleiter


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(Grafik von Administrator; P.S. nach den Zahlen von Raimund Oehlmann für 2005. Für das Jahr 2007 haben sich die Schulempfehlungen – gemäß Braunschweiger Zeitung vom 23.07.07 – für das Gymnasium um ca. 2,5% vermindert, dagegen für die Realschule um ca. 2% und für die Hauptschule um ca. 0,5% erhöht. Eines wird aber wohl deutlich. Die integrativen Gesamtschulen leisten zumindest statistisch eine starke gesellschaftliche Integrationleistung, eine verstärkte Diskriminierung kann man ihnen kaum vorwerfen. )


Aktion 4. IGS“: Stellungnahme zum Brief von Frau Mundlos (CDU) an Frau Dr. Lubitz und Herrn Blanke

MdL Frau Mundlos (CDU) behauptet:

  • Eltern hätten Mehrfachanmeldungen vorgenommen-
    Zur Beantwortung verweisen wir auf das Schreiben für die Braunschweiger Gesamtschulen durch den Schulleiter der IGS Querum, Herrn Oehlmann, vom 19.07.07.

  • Hauptsächlich SchülerInnen mit Hauptschulempfehlungen seien abgelehnt worden.
    Zur Beantwortung verweisen wir auf die Stellungnahme des Herrn Oehlmann in der deutlich wird, dass sowohl prozentual als auch nominal hauptsächlich die SchülerInnen des Leistungsbereichs II abgelehnt worden sind.

  • Die IGS fördere nicht sondern sortiere aus –
    Ein Höchstmaß an Dreistigkeit ist es, einer Schulform „Selektion“ vorzuwerfen, wenn sie aus Platzmangel nicht alle SchülerInnen aufnehmen kann. Den Platzmangel hat vielmehr Frau Mundlos und ihre CDU im Landtag zu verantworten.

  • Eltern, die Ihre Kinder von einer IGS auf eine andere Schulform umschulen wollten, seien regelrecht bedrängt und geklammert worden-.
    Es ist sicherlich vorgekommen, dass Eltern, die die Orientierungsstufe (OS) umgehen wollten, und deshalb ihre Kinder auf eine IGS angemeldet haben, um sie nach der 6. Klasse auf ein Gymnasium umzumelden. Dazu ist festzustellen, dass das Konzept der IGS ein anderes Lernen beinhaltet als an der OS, und sich durch einen Wechsel nach der 6. Klasse Probleme für die Kinder ergeben können bzw. werden.

  • Nachzudenken sei über eine Aufstockung der IGS Franz’sches Feld und/oder Querum um je einen Zug-.
    Hierzu möchten wir darauf hin weisen, dass inzwischen von den „ Mammutschulen“, wie

sie in sog. Brennpunkten errichtet wurden, abgewichen worden ist, da sie nachweislich das Lernklima verschlechtern. Die Frage ist: Befürwortet Frau Mundlos wieder „Mammutschulen“?

Unsere sachlichen Überlegungen für eine zukunftsorientierte und damit notwendige Schulbildung führen wir in nächster Zeit gesondert aus.

12. September 2007, 19.30 Uhr im Landesmuseum
Prof. Dr. Matthias von Saldern
Thema: Braunschweig braucht eine 4. IGS – Chancen integrativen Lernens


Braunschweig braucht eine 4. IGS – Antwort der Ratsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen auf einen offenen Brief der „Aktion: 4. IGS in Braunschweig“ – 20.07.2007

Schulpolitik ist Ländersache? In §12.1 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) heißt es zumindest nach der Novelle durch die CDU/FDP-Regierung: „Neue Gesamtschulen dürfen nicht errichtet werden.“ Eine Aussage die trotz der häufig geäußerten Klischees vom verklausulierten Juristendeutsch eindeutiger nicht sein kann. Aber natürlich ist die Frage, um die es im Kern geht keine juristische, sondern eine politische Frage, und die lautet: Wie lange kann eine Landesregierung aus politisch-ideologischen Gründen den offenkundigen Elternwillen noch ignorieren und die Einrichtung weiterer Gesamtschulen in Niedersachsen verbieten?

Das Problem, dass mehr Eltern ihre Kinder an die niedersächsischen Gesamtschulen schicken wollen als dort Plätze vorhanden sind, ist nicht neu. Die Grünen im Landtag haben in den letzten Jahren immer wieder auf dieses Problem hingewiesen und beispielsweise unter der Überschrift „Neugründung von Gesamtschulen wieder zulassen – Busemann muss Elternwillen achten“ darauf hingewiesen, dass schon zum Schuljahr 2003/2004 an manchen Gesamtschulen mehr als 50% der Kinder abgewiesen werden mussten. „Es ist deutlich, dass der Elternwille für eine gemeinsame Schule für alle Kinder vorhanden ist. Der Kultusminister achtet ihn aber offenbar nur dann, wenn er ihm politisch in den Kram passt“, sagte dazu im Juni 2004 die schulpolitische Sprecherin der Grünen Ina Korter.

Nicht erst seitdem hat man das Gefühl, die schulpolitischen Debatten seien in einer Endlosschleife gefangen, nach dem Motto: Und täglich grüßt der Busemann. So wurde er jüngst in einem Artikel der Braunschweiger Zeitung vom 11.07.2007 mit den Worten zitiert: „Ich fahre jetzt seit zwei Tagen mit offenem Fenster durchs Land, Rufe nach mehr Gesamtschulen kann ich nicht wahrnehmen“.

Den Vogel abgeschossen hat aber zweifellos die braunschweiger Landtagsabgeordnete Heidemarie Mundlos (CDU), die angesichts von 328 abgelehnten Bewerbern keinen Bedarf für eine weitere IGS oder für die Erweiterung der bestehenden Integrierten Gesamtschulen in Braunschweig sieht, weil für sie die Anmeldezahlen „nicht verifizierbar“ und auf Mehrfachanmeldungen durch die Eltern an allen drei braunschweiger Gesamtschulen zurückzuführen seien (BZ, 05.07.2007). Zu Recht war die Empörung angesichts dieser Äußerung groß. So wurde Frau Mundlos in Leserbriefen wechselweise „schlichte Ahnungslosigkeit“ oder „schlechter politischer Stil“ vorgeworfen. Ein offner Brief an Frau Mundlos bringt es auf den Punkt:

„Insgesamt drängt sich uns aber der Verdacht auf, dass es in Wirklichkeit gar nicht um die Anmeldezahlen geht. Wäre es nicht ehrlicher, sehr geehrte Frau Mundlos, offen zu bekennen, dass Sie die Gesamtschule für die falsche Schulform halten, anstatt sich hinter vermeintlichen Ungenauigkeiten in der Statistik zu verstecken? Dann aber müssten Sie vermutlich zugestehen, dass Sie aus ideologischen Gründen den Braunschweiger Eltern das Recht auf eine freie Schulformwahl verwehren. Oder wollen Sie behaupten, dass alle Eltern, die für Ihr Kind einen Platz an einer IGS in Braunschweig wünschen, diesen auch bekommen?“ (Dr. Ilona Lubitz und Ulf Blanke)

Die Grünen in Braunschweig setzen sich schon lange für die Einrichtung einer 4. IGS ein. So z.B. im Rahmen der Koalitionsverhandlungen mit der SPD im Jahre 1996. Damals, als die Landesgesetzgebung die Einrichtung einer weiteren Gesamtschule noch zugelassen hätte, ist dies am mangelnden politischen Willen der SPD gescheitert. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass innerhalb der braunschweiger SPD offenbar ein Meinungswechsel stattgefunden hat, und sie sich nun – gerade auch im Rahmen der Aktion 4. IGS – für die Einrichtung einer weiteren Gesamtschule stark macht. Aber natürlich wäre damals auch mit der CDU und der FDP die Einrichtung einer weiteren IGS in Braunschweig nicht möglich gewesen.

Die Negativschlagzeilen, die das deutsche Bildungssystem in den letzten Jahren produziert hat (die PISA-Untersuchung und der UN-Bericht von Vernor Muños) sprechen für sich. Doch gerade auch die positiven Meldungen, beispielsweise das erfreulich gute Abschneiden der IGS Franzsches Feld und weiterer Integrierter Gesamtschulen bei der Verleihung des Deutschen Schulpreises, beweisen, dass die Integrierten Gesamtschulen durchaus einen Ausweg aus der Krise des deutschen Bildungssystems aufzeigen können.

Schulpolitik ist Ländersache. Und in einem guten halben Jahr entscheiden wir in Niedersachsen darüber, wer die künftige Schulpolitik auf Landesebene bestimmt. In den Landtagswahlkampf gehen wir als Grüne mit der Forderung nach einer Neuen Schule für Niedersachsen, in der Kinder in ihren ersten neun Schuljahren gemeinsam lernen, also eine Gesamtschule für alle.

Bis wir dieses Konzept umsetzen können, unterstützen wir alle Bemühungen, die darauf ausgelegt sind, eine 4. Integrierte Gesamtschule in Braunschweig zu verwirklichen. Um diesem Ziel näher zu kommen braucht Braunschweig vor allem Eltern und Schülerinnen und Schüler, die diese Forderung unterstützen und mit ihren Wünschen an die Öffentlichkeit gehen. Wir brauchen auch auf kommunaler Ebene engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich beispielsweise durch ihre Mitarbeit in der „Aktion: 4. IGS in Braunschweig“ für ihre Belange stark machen. Und wir wünschen uns, dass auch der Rat der Stadt Braunschweig Druck auf die Landesregierung ausübt, damit das unsinnige Verbot der Einrichtung neuer Gesamtschulen in Niedersachsen endlich fällt. Allerdings bedarf es dazu eines sehr großen Druckes aus der Bevölkerung, weil die derzeitige Ratsmehrheit aus CDU und FDP sich wohl mehr an die ideologische Linie ihrer jeweiligen Landespartei halten wird.

Gisela Witte, Cornelia Rohse-Paul, Sven Wöhler

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