PEOPLE AND Pianos

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Foto: M. Brandes

Steinway & Sons / Grotrian–Steinweg

bis zum 27. April 2025 im Städtischen Museum am Löwenwall

Diese Ausstellung ist der pure Genuss.

Erzählt wird vom gemeinsamen Ursprung der Firmen Steinway & Sons und Grotrian-Steinweg, ihrer historisch engen Verbindung, ihren zunehmend getrennten Werdegängen, von der überragenden Bedeutung dieser Werkstätten für die Entwicklung des Tasteninstrumentenbaus und der Musikkultur über nun drei Jahrhunderte.

Wichtig zu wissen: die Klavierbaufirmen Steinways & Sons (New York, Hamburg) und Grotrian-Steinweg (Braunschweig) sind zwar historisch eng miteinander verbunden, haben heute aber keinerlei Berührungspunkte mehr.

Grotrian, Helfferich,Schulz/Th. SteinwegNachf.: Salon-Konzertflügel von 1898 (c) Roman Mishchuk/Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Inv.-Nr. 1986.97

Die Unternehmen verdanken ihre Entstehung Heinrich Engelhard Steinweg (1797–1871), der sich Mitte des 19. Jahrhunderts von Seesen aus auf den Weg in die Neue Welt machte – wo ihm mit der Gründung von Steinway & Sons ein beispielloser Erfolg gelang.

Diese wunderbar kurarierte, spannende und im schönsten Sinne lehrreiche Sonderausstellung erzählt uns Geschichte und Geschichten, nimmt uns mit auf eine höchst spannende Reise durch die “alte” und “neue” Welt.

Sie erzählt vom unglaublichen Aufstieg des Heinrich Engelhard Steinweg, eines Jungen aus Wolfshagen am Harz, Sohn eines Köhlers und Kleinbauern (Brinksitzer), Analphabet bis zu seinem 50. Lebensjahr, genialer Instrumentenbauer, der zu einem erfolgreichen amerikanischen Unternehmer und zum Begründer einer ikonischen Weltmarke wurde.

Die Schau präsentiert uns Familien- und Musikgeschichte, sichtbar gemacht in Dokumenten, Fotos, Objekten, Gemälden und Medienstationen.

Ausstellungsblick. Im Vordergrund der Nachbau des berühmten „Küchenflügels“ von Heinrich Engelhard Steinweg (Foto M. Brandes)

Es ist eine Geschichte aus bitterer Armut und großem Reichtum, Fleiß und Genialität, Musikalität und Handwerkskunst, Intrigen, Liebe zur Braunschweiger Heimat, von Lebenmännern- und Frauen und natürlich vor allem von genialen Erfindern und Handwerkern.

Es ist die Geschichte von der Entwicklung dieser beiden weltberühmten Klavierbau–Unternehmen, von Pionieren des Instrumentenbaus, die durch ihre Arbeit eine enorme musikgeschichtliche Bedeutung entfalteten.

Geschäftshaus Grotrian-Steinweg am Bohlweg in Braunschweig (Foto M. Brandes)

Die Ausstellung verbindet immer wieder informativ und unterhaltsam auch unsere regionale mit internationaler Kultur- und Wirtschaftsgeschichte.

Steinway Pianofabrik in New York, ca. 1855 (Foto M. Brandes)

Zu sehen sind beispielsweise das original Kirchenbuch von Wolfshagen mit dem Geburtseintrag von Heinrich Engelhard Steinweg von 1797, viele zeitgenössische Gemälde, Fotografien und Familienbriefe, aus denen tiefe familiäre Verbundenheit zu lesen ist.

Kirchenbuch Wolfshagen mit Geburtseintrag Heinrich Engelhard Steinweg (Foto M. Brandes)

Wir lesen Dokumente, die von bürokratischen Hemmnissen und Frustrationen erzählen, mit denen ein Unternehmer der damaligen Zeit zu kämpfen hatte, wie die dreifachen Zollgrenzen zwischen dem Herzogtum Braunschweig, den Königreichen Hannover und Preussen.

Alle wollten sie Zoll und Abgaben kassieren, machten dem unternehmerischen Handwerker Steinweg so das Leben und das Geld verdienen schwer, zwangen ihn zu schmeicherisch-unterwürfigem Schriftverkehr und letztendlich zur Auswanderung.

Produktionsfoto Klavierbau bei Grotrian-Steinweg in Braunschweig, 1924 (Foto M. Brandes)

Man erfährt übrigens auch, dass es Raubbau an unseren Wäldern schon im 18. Jahrhundert gab und der Borkenkäfer auch damals schon ein Problem war.

Szenenfoto aus dem historischen Stummfilm „The Making of a Steinway“ von 1930 (Foto M. Brandes)

Historische Zeitungsausschnitte, Werbeanzeigen für Auswanderung, Reiseberichte, die USA-Einbürgerungsurkunde von Heinrich Steinweg, faszinierende historische Fotos von Braunschweig, von New York, von hart arbeitenden Handwerkern sind zu bestaunen (und natürlich zu lesen). Auch den historischen Stummfilm über Klavierproduktion (mit Kommentaren) sollte man sich unbedingt anschauen.

Staunen kann man auch über die smarten Marketingstrategien im 19. und 20. Jahrhundert, mit deren Hilfe sich Steinway & Sons ihre Weltmarke schufen, durch Werbung mit Promimenten, mit Sponsoring und mit guten Verbindungen zu Politik und Gesellschaft.

Rund 30 Musikinstrumente sind ausgestellt. Darunter ein sehr opulent gestalteter Grotrian-Steinweg-Flügel im “art case piano” – Design aus dem Jahr 1898 und ein (auch klanglich erlebbarer) Nachbau des berühmten “Küchenflügels” von Heinrich Engelhard Steinweg, der erste überlieferte Flügel des Klavierbauers, den er noch in seiner Werkstatt in Seesen fertigte.

Ausstellungskuratorin Dr. Antje Becker (Foto M. Brandes)

Kuratorin Dr. Antje Becker und ihr Team haben mit dieser faktensatten und phantasiebunten Ausstellung kuratorische Präzisionsarbeit geleistet und so im Grunde auch selbst ein kleines Kunstwerk geschaffen.

Das Städtische Museum bietet interessierten Besuchern ein opulentes Zusatzprogramm zur Ausstellung:

https://www.braunschweig.de/kultur/museen/staedtisches-museum/veranstaltungen.php

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