Gedenkstätten-Forum – eine Mogelpackung?

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Um sich nicht länger die bisherige Isolierung von der Öffentlichkeit nachsagen zu lassen, veranstaltet die Gedenkstätte seit Oktober 2013 jährlich ein oder drei sogenannte Wolfenbütteler Gedenkstättenforen. Zum Sinn und Zweck dieser Foren heißt es in den Einladungen:

„Die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel erinnert an die Verbrechen der Justiz im Nationalsozialismus und ihre Opfer. Durch eine Neugestaltung der Gedenkstätte 2014 sollen diese Themen auf dem neusten Forschungsstand präsentiert und der historische Ort besser erschlossen werden. Im Rahmen des ‚Wolfenbütteler Gedenkstättenforums‘ wird regelmäßig über den Verlauf der Neugestaltung informiert. Fachbezogene Vorträge sollen zur Diskussion anregen.“

Natürlich fragt der Bürger sich, inwieweit er in diesen Veranstaltungen wirklich brauchbare Informationen erhält.

Auf dem 1. Gedenkstättenforum am 30. Oktober 2013 ließ die Gedenkstätte Dr. Thomas Lutz, Mitarbeiter der Topographie des Terrors in Berlin referieren. Es gab einen ausgezeichneten, gut verständlichen Überblick über die Aufgaben und Zwecke von Gedenkstätten allgemein. Nur wurde nichts zu der speziellen Funktion einer Gedenkstätte zur NS-Justiz gesagt. Für eine Diskussion blieb schon deshalb wenig Raum, weil Stiftungsgeschäftsführer Prof. Dr. Habbo Knoch den Vortrag mit einem fast 20minütigen eigenen Vortrag einleitete, dies so hastig vorgetragen, dass die Zuhörer kaum folgen konnten. Nach Beendigung des Vortrages ließ Habbo Knoch seinem Dank noch mindestens zehn Minuten lang weitere eigene Gedanken folgen. Aber auch er ging weder auf die
Probleme der Wolfenbütteler Gedenkstätte noch die beabsichtigte Neugestaltung ein.

Ist das „Wolfenbütteler Gedenkstättenforum“ also eine Mogelpackung, einzig zu dem Zweck, die Daseinsberechtigung der Gedenkstätte unter Beweis zu stellen?

Auch von einer Ermunterung zur „Diskussion“ spürten die Teilnehmer wenig. Und wo die Tätigkeit oder Untätigkeit der Gedenkstätte wirklich zu einer Diskussion herausfordert, wird dem Bürger, der eine kritische Äußerung wagt, lautstark das Wort abgeschnitten, wie es Jürgen Kumlehn bei dem „2. Gedenkstättenforum“ am 13. März 2014 ergangen ist.

Hat man übrigens unter einem „Forum“ nicht bislang immer nur solche Veranstaltungen mit einem Programm verstanden, bei dem die Vertreter verschiedener Auffassungen oder Richtungen zu Wort kommen? Ein Frontalvortrag, an den sich bestenfalls zehn bis 15 Minuten mit einem Diskussionsangebot anschließen, ist jedenfalls kein Forum.

Wenn angeblich „regelmäßig über den Verlauf der Neugestaltung informiert“ wird, ist damit sicher mehr gemeint, als die seit Jahren angemahnte Sanierung des Fundamentes des Hinrichtungsbaus und ein verbesserter räumlicher Zugang zu der Gedenkstätte. Schon im Jahre 2009 wurde die Einsetzung eines vollmundig als „Internationale Expertenkommission für die Gedenkstätte Wolfenbüttel“ bezeichneten Gremiums angekündigt. Mit Wissenschaftlern, von denen die wenigsten mit Kompetenz zur NS-Justiz ausgewiesen sind (siehe auch mein in der Zweiwochenschrift Ossietzky (Heft 13/2012) veröffentlichter Artikel „Wie Geschichte gehandelt wird“
<http://www.sopos.org/aufsaetze/4fe868debf01d/1.phtml> http://www.sopos.org/aufsaetze/4fe868debf01d/1.phtml ). Wie weit die Arbeit jener Kommission vorangeschritten ist und nach welcher inhaltlichen und didaktischen Konzeption die neue Ausstellung geschaffen werden soll, bleibt weiterhin ein Staatsgeheimnis der Gedenkstätte.

Ergänzung:

Vielleicht ist ein von den Gedenkstättenbeamten veranstaltetes Forum von vornherein ein Widerspruch in sich selbst. Das kann man schon in meinem Artikel „Gedenkstätte ohne Bürger“ (Ossietzky, Heft 10 vom 12.05.2012) nachlesen: „Im Gedenkstättenbereich gibt es nicht nur die übliche Gruppenkonformität und kollegiale Rücksichtnahmen, sondern auch die Sorge um das berufliche Fortkommen in einem Berufsfeld, in dem sich viele Historiker mit Zeit- und Werkverträgen herumschlagen müssen (…) Deshalb gibt es in
fundamentalen Fragen keine wirkliche Gedenkstättenkritik, kein Forum, in dem Missstände und gravierende Defizite in aller Offenheit diskutiert werden.“Und der Tagespresse und den anderen allgemeinen Medien erscheinen Gedenkstättenprobleme als zu komplex.“

<http://www.justizgeschichte-aktuell.de> www.justizgeschichte-aktuell.de
<http://www.gedenkstaette-wf.de/> www.gedenkstaette-wf.de

 

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