Der Geostratege Putin und sein Ukrainekrieg

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Es ist unerträglich als Beobachter auf Distanz zwischen der Moral und der Logik des Krieges hin und her zu pendeln. Der Blick auf die grauenhaften Fotos der ermordeten Menschen und zerstörten Städte drängt zu radikalen Maßnahmen. Aber niemand kann konkret sagen, ob die Folgen eines Gasboykotts so dramatisch wären – oder gar dramatischer – wie der BASF-Vorstandsvorsitzende, Martin Brudermüller, vor wenigen Tagen im SPIEGEL behauptete: „BASF-Chef warnt vor Zerstörung der »gesamten Volkswirtschaft„.

Vieles lässt sich auch nicht einschätzen. Wie wird die Bevölkerung reagieren, wenn die Gaspreise durch die Decke gehen oder die Spritpreise ins Unermessliche steigen. Zumal die Preise am Markt nur auf Spekulation beruhen, auf erwartete Knappheiten, nicht auf tatsächliche. Da stecken sich doch wenige die Taschen voll, so der Volksmund in Kenntnis der Tatsachen. Wie wird die Nahrungsmittelversorgung sein? Nicht nur in Afrika und im Nahen Osten. Auch bei uns. Denn Stickstoff, der Grundnährstoff für Pflanzen, benötigt viel Energie zur Herstellung. Energie in Form von Gas auf die nicht verzichtet werden kann.

Festzustellen ist derzeit, dass alle Wirtschaftssanktionen gegen Russland nicht wirken; weder die alten Sanktionen aus der Krimbesetzung noch die neuen. Der Ukrainekrieg wird regional nur verlagert, nicht vermindert. Vielleicht tragen Sanktionen sogar zur Eskalation des Krieges bei. Es macht eher den Eindruck, dass die Sanktionen von Putin in seine Kriegsüberlegungen und Kriegsplanungen schon eingepreist waren. Eingepreist in Putins Kriegskalkulation ist wahrscheinlich auch der diskutierte Gasboykott von Seiten Europas, insbesondere Deutschlands. Ist es nicht im Interesse Russlands oder gar Amerikas Deutschland und die EU zu schwächen? Wenn der diskutierte Gasboykott kurzfrsitig kommen sollte, dann wird das zur deutlichen Schwächung Deutschlands und der EU beitragen. Dazu lesen Sie bitte das TAZ-Interview mit Michael Vassiliadis, Leiter der IG Bergbau, Chemie, Energie. Von wem ist diese Schwächung der deutschen Wirtschaft erwünscht? Diese Frage muss gestellt werden, weil der Druck auf Deutschland russisches Gas zu boykottieren enorm ist. Die Ukraine, die diese Forderung aggressiv stellt, will durch ausbleibende Geldüberweisungen die russische Kriegswirtschaft schwächen, obwohl sie weiß, dass Sanktionen gegen Russland nichts bewirken. Woher nehmen Deutschlands Kritiker die Gewissheit, dass der Krieg mit einem Gasboykott beendet wird? Woher die Gewissheit, dass Putin diesen Boykott nicht auch in seine Kriegsplanung eingepreist hat. Es geht nie um Moral, sondern immer um Interessen, so Egon Bahr, der Meister des Friedens.

Die Spekulationen über die Kriegsziele von Putin schießen ins Kraut, und sind bisher nicht mehr als Spekulationen. Kann man mit Putin überhaupt noch Frieden machen? Wohl kaum, aber dann mit wem denn sonst? Putin, so scheint es, will eine völlig andere geostrategische Situation schaffen. Nicht mehr mit Europa, das zerstitten an Amerikas Rockzipfel hängt, sondern wohl mit China. EURASIEN mit einem schwachen, zerstittenen Europa, zerrieben zwischen egozentrischer USA und dem (Eur)asischen Wirtschaftsblock. Die Ukraine scheint nur Mittel zum Zweck zu sein, um Europa zu schwächen. Die Sanktionen bewirken eine Selbstschwächung, ohne dass Putin eingreifen muss. Bei diesen möglichen großen geostrategischen Zielen, spielen die Toten der Ukraine keine Rolle mehr.

Vielleicht führt der Artikels von Gunnar Jeschke in der Meinungsbildung weiter: „Pfeifen im dunklen Walde“. Emotionen, so wichtig sie sind und durch die grauenhaften Bilder hervorgerufen, tragen jedenfalls nicht dazu bei, mit klarem Kopf zum Verstehen dieses Krieges beizutragen.

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