AWO-Geschäfte auf Kosten von 1-Euro-Jobbern? Ex-Mitarbeiter kritisieren die Radstation

0

Die AWO-Radstation am Hauptbahnhof Braunschweig. Ein arbeitsmarktpolitisches Projekt, oder eine Geldquelle für den Sozialkonzern mit dem roten Herzen im Logo?

„Wir verbinden langjährige Erfahrungen in der sozialen Arbeit und beruflichen Förderung mit modernen Dienstleistungen. Wir bieten ein umfassendes Angebot für Menschen in schwierigen Situationen, mit dem Ziel sie in dauerhafte Erwerbsarbeit zu integrieren. Als sozialer und professioneller Bildungsanbieter bringen wir betriebswirtschaftliches und soziales Handeln in Einklang. Wir ermöglichen Menschen, die sich in schwierigen Situationen befinden, an Arbeitswelt und Gesellschaft teilzuhaben.“

So formuliert Ulf Kelchheuser, Bereichsmanager Arbeitsmarkt und Migration des AWO-Bezirksverbands Braunschweig, die Ziele seiner Sparte im größten Sozialkonzern der Region auf der offiziellen Homepage www.awo-bs.de. Was hinter den schönen Worten und tollen Agenturbildern des Internetauftritts jedoch auf der Strecke bleibt, sind nackte Informationen. Nicht einmal einen Geschäftsbericht mag die AWO veröffentlichen. Da nimmt es nicht Wunder, dass die Geförderten halblaut murren.

 Am Beispiel einer Radstation

Die AWO betreibt in der Region Frauenhäuser und Altenheime, Kliniken, Freiwilligenagenturen und Behindertengruppen. Am Hauptbahnhof Braunschweig zeigt die AWO-Radstation stockwerkhoch ihr soziales Herz auf rotem Grund. Die „1-Euro-Jobber“ werden dort von gerade mal zwei hauptamtlichen Mitarbeitern beaufsichtigt.

Unter ihnen (ein Geschäftsleiter, ein Sozialpädagoge) arbeiten pro Woche bis zu 21 sog. „1-Euro-Jobber“ in „Arbeitsgelegenheiten“ – an sieben Tagen rund um die Woche, umschichtig, von 5.30 bis 22.30 Uhr (an Wochenenden und Feiertagen bis 21 Uhr komplett alleine). Das allein macht deutlich, dass die „Geförderten“ zur Hälfte der Arbeitszeit und an Nicht-Werktagen vollkommen ohne Betreuung und Aufsicht malochen. Sie bewachen bis zu 470 untergestellte Fahrräder, führen Inspektionen durch, reparieren Pannen, reinigen Kundenräder und kümmern sich eigenständig um Kasse und Abrechnung. Ist das noch „soziale Integration“ oder schlicht Ausbeutung? Ein Mitarbeiter erhebt schwere Vorwürfe gegenüber „braunschweig-spiegel“.

Konkurrenz für Gewerbebetriebe?

„De facto ist die Radstation ein ganz normaler Gewerbebetrieb, der dem örtlichen Fahrradeinzelhandel Konkurrenz macht. Mit dem Unterschied, das die Malocher vom Jobcenter bezahlt werden, der Betrieb keine Miete bezahlen muss und die Gewinne unversteuert in der AWO versickern“, so sein Eindruck. „Über allem steht das Diktat: Wir brauchen Umsatz. Dabei wird einem nichts erklärt. Wie ich ein Hinterrad zentrieren soll, musste mir ein anderer 1-Euro-Jobber beibringen. Der Meister hatte keine Zeit und auch keine Ahnung.“ Selbst auf dreifache Nachfrage hin sei mehreren Mitarbeitern Arbeitskleidung von Betriebsleiter Schattka verweigert worden – sie mussten im Dienst der guten Sache ihre privaten Jeans mit Kettenöl versauen. Reparaturen an sicherheitsrelevanten Teilen wie Beleuchtung und Bremsen würden vor der Herausgabe an die Kunden nicht regelmässig von einem ausgebildeten Mechaniker kontrolliert. Und wenn es zu Unregelmässigkeiten in der Kasse käme („hier läuft schliesslich kein geprüfter Buchhalter durch den Keller“) müssten die 1-Euro-Jobber die Fehlbeträge aus eigenem Portemonnaie ersetzen. Sein Fazit: „Für mich ist das Ausbeutung auf dem Rücken der Schwächsten und Kundenabzocke.“ Letztendlich verlange die Radstation für ihre Dienstleistungen durchaus marktübliche Preise: Inspektion oder Fahrradreinigung je 8 Euro, Reparaturen nach Aufwand zzgl. Ersatzteile bis in dreistellige Bereiche. Text und Fotos: Klaus Knodt / Marcus von Bucholz

Das Interview hier auf PDF

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.