Abschlussbericht der 12. Solidaritätsreise der Reisegruppe von Pfarrer Eckehard Binder nach Palästina und Israel

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Jerusalem mit Felsendom

Vom 18. bis 30. April besuchten wir (18 Personen aus Braunschweig und Umgebung) auf Initiative von Herrn Pfarrer Eckehard Binder von der St. Thomas-Gemeinde in Braunschweig-Heidberg vorwiegend christliche Einrichtungen in Palästina und Israel. Es war die 12. Reise von Pfarrer Binder und einige Teilnehmer waren schon öfter mitgefahren. Für mich, der vor allem an den friedenspolitischen Aspekten der Reise interessiert ist, war es das erste Mal.

In der ersten Woche wohnten wir im christlichen, einfach gehaltenen Gästehaus des Evangelischen Bildungszentrums Talitha Kumi am Ortsrand des in den Bergen zwischen Jerusalem und Bethlehem gelegenen Ortes Beit Jala. Weil unsere Unterkunft etwa 950 m hoch gelegen war, war es recht kühl, was man in Israel nicht unbedingt erwartet. In unserer zweiten Unterkunft, dem christlichen (katholischen) Pilgerhaus in Tabgah am See Genezareth, der 200m unter dem Meeresspiegel liegt, erlebten wir Sommer- und Badewetter und einen gehobenen Komfort.

Wir besichtigten viele geschichtlich und biblisch interessante Stätten in Palästina und Israel und trafen uns mit engagierten Christen, Juden und Mohammedanern, die uns Einblick in ihr Leben und die aktuelle politische Situation in Palästina und Israel gaben.

Darunter war der Jude Reuven Moskovitz (Foto), der das Buch „Der lange Weg zum Frieden“ schrieb.

Die Israelin Connie Hackbarth vom AIC (Alternative Information Center) vertrat die Meinung, dass die israelische Regierung mit ihrer zionistischen Einstellung eine rassistische Hochkultur betreibe, die die Bevölkerung zunehmend kritisch betrachte. Z. B. werde der in der Bevölkerung bisher als Privileg angesehene Militärdienst nur noch von 60% angetreten, die Palästinenser werden nicht eingezogen.

Israelische Soldatin und Soldat in der Altstadt von Jerusalem

Viele junge Leute wollen inzwischen die besten Jahre ihres Lebens nicht mehr in der Armee verbringen. Nur die militanten Siedler hielten am Militärdienst fest. 7% der Bevölkerung läsen die kritisch eingestellte Zeitung Haaretz. 70% der israelischen Bevölkerung wären gegen die Errichtung weiterer Siedlungen. Bei der Ortswahl spiele der Kostenfaktor für die Siedler eine wichtigere Rolle als die ideologische Einstellung. Leider toleriere und unterstütze die israelische Regierung die für die Palästinenser belastende Siedlungspolitik. Es gebe eine BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestition und Sanktionen), in der sich auch Juden gegen die Besetzung engagieren. Vor allem der akademische und kulturelle Boykott würde Israel empfindlich treffen.

Der Direktor des AIC Nasser Ibrahim kritisierte die Behandlung der Palästinenser. Durch den ungebremsten Siedlungsbau und die zu 2/3 fertige, illegal errichtete Mauer (fertig ca. 750 km lang!) würde das palästinensische Gebiet in viele kleine Einheiten zerlegt und durch die Einrichtung von A-, B- und C-Zonen die Bewegungsfreiheit der Palästinenser erheblich eingeschränkt. Nach dem Bestreben des Oslo-Prozesses sollten die palästinensischen Gebiete alle zu A-Zonen mit (theoretischer) palästinensischer Selbstständigkeit erklärt werden, stattdessen bestünde die Westbank zu 60% aus vollständig unter israelischer Kontrolle stehenden C-Zonen (http://www.versoehnungsbund.de/2012-cr-zwei-staaten). So würden z. B. Fahrten ins Krankenhaus, Besuche, Schul- und Arbeitswege erheblich erschwert.

Wie die Palästinenserin Rania Salsaa vom Internationalen Begegnungszentrum Diyar in Bethlehem  sagte, sehe sie folgende Lösungsmöglichkeiten: eine 2-Staatenlösung, eine 1-Staatenlösung, eine Föderation, eine Konföderation oder eine Schweizer Kantonslösung.

Der Palästinenser Daoud Nassar von dem vorwiegend für Jugendliche gedachten Friedensprojekt „Tent-of-Nations“ und der katholische Pater Raed vom lateinischen Patriarchat Jerusalem in Taybeh vertraten die Meinung, dass die Palästinenser aus ihrer Opferrolle herauskommen müssten und mit Hartnäckigkeit, Phantasie und Kreativität ihre Interessen vertreten sollten. Pater Raed vertrat die Meinung, wenn die Menschheit das Problem in Jerusalem lösen könne, könne sie auch alle anderen Friedensprobleme lösen.

Uns als Reisegruppe hat es betroffen gemacht, dass die Betreiber der Unterkünfte, in denen wir wohnten, Existenzängste äußerten. Die teilweise auf dem Tourismus beruhende Finanzierung der Einrichtungen leidet unter der Unsicherheit der politischen Verhältnisse, die die Gäste aus dem Ausland abschreckt. Außerdem fühlen sich die christlichen Enklaven im Palästinensergebiet von der aggressiven Siedlungspolitik bedroht, die zunehmend auch vor ihnen nicht Halt macht. Viele sind deswegen schon ausgewandert.

Dabei haben wir keinerlei Behinderungen durch Unruhen erlebt und erfahren, dass Reisen nach Palästina genauso sicher ist wie Reisen nach Israel. Die Christen Palästinas in Bethlehem, Beit Jala, Beit Sahour und Taybeh brauchen Unterstützung und Solidarität durch Besuche wie den unseren. Es sind zahlreiche Unterkünfte vorhanden, z. B. in Taybeh, Talitha Kumi, Abrahams Herberge und demnächst Bed-and-Breakfast-Unterkünfte in christlichen Familien.

Neben den vielen informativen Programmpunkten blieb Zeit für den Erholungsaspekt der Reise in Form von Bademöglichkeit im Toten Meer und im See Genezareth, Wanderungen durch die blühende Natur oder Zeit zur Besinnung. Wir waren auch bei dem palästinensischen Krippenschnitzer „Odeh“ in Beit Sahour eingeladen und dem Klosterweingut in Cremisan. Olivenöl, -holz und -seife, sowie Weine sind Produkte, die eine hohe Qualität haben und vor allem für die Palästinenser wichtige Einnahmequellen darstellen.

Israel und Palästina haben uns überrascht mit Wetterextremen und extrem unterschiedlichen Lebensverhältnissen bei den Palästinensern und den Israelis. Auch die Natur zeigte einerseits Wüste, andererseits zu dieser Jahreszeit blühende und grünende Landesteile. In diesem Winter hat es ungewöhnlich viel geregnet. Unsere Sinne hat das angeregt, während unser Intellekt sich mit den vielen interessanten Vorträgen beschäftigen konnte. Ja, die politischen Verhältnisse sind alles andere als gut und ein wichtiger Sinn unserer Reise war es, uns davon einen Eindruck zu verschaffen, aber die Menschen, auf die wir trafen, haben uns mit ihrem Engagement und ihrer Sicht auf die Dinge beeindruckt und Mut gemacht. Wir wünschen uns für sie und uns, dass sich Palästina und Israel in ihrem Sinne weiterentwickeln. Außerdem möchten wir alle Interessierten zu Reisen in diese interessante, vielseitige und faszinierende Region ermuntern. Uns hat es gut gefallen.

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