Mutiger Spielplan mit Freude am Experiment

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 Die neue Generalintendantin des Staatstheaters Braunschweig, Dagmar Schlingmann, stellte Konzept und Spielplan
für die Saison 2017 / 2018 vor.     Foto: Marcus von Bucholz
 
Dem Theater wohnt das Irritierende inne, und in heutiger Zeit kann man kaum besser irritieren als mit alternativen Fakten. Folgerichtig schreibt das Staatstheater Braunschweig unter neuer Leitung von Generalintendantin Dagmar Schlingmann auf den Spielplan-Katalog für die Saison 2017 / 2018 „Braunschweig liegt am Meer“. Dieses Motto, so Schlingmann, soll zeigen, „dass wir große Behauptungen aufstellen und die Realität als veränderbar ansehen.“ Hoffen wir, dass der Klimawandel  noch länger als die Zeit einer Intendanz auf sich warten lässt.
Dennoch ist in Braunschweigs wichtigster und größter Kulturinstitution zumindest mit einem Wandel zu rechnen. Grosse Teile des Ensembles sind neu, die Leitung hat bis auf Chefchoreograf Gregor Zöllig und Orchesterdirektor Martin Weller gewechselt, und die Bespielung wird feinjustiert: Im Kleinen Haus soll die Spielstätte „Aquarium“ entstehen für neue Theaterformate, Konzerte, Installationen und Performances. „An Deck“ im bisherigen Theaterrestaurant lädt die Theaterbar unter neuer gastronomischer Leitung ab August 2017 zum Essen, Feiern und Verweilen ein. „Das Kleine Haus soll Treffpunkt auch jenseits der Repertoirevorstellungen werden“, so Schlingmann. Massiv ausgebaut wird das Repertoire des Jungen Staatstheaters unter Leitung von Jörg Wesemüller: die Sparten Schauspiel, Tanz und Musiktheater für Kinder werden gleichwertig angeboten und warten mit 18 Produktionen, darunter fünf Uraufführungen auf. Neben Klassikern wie „Jim Knopf“ gibt es das moderne Tanztheater „B-Boys don’t Cry“ oder das aktuelle Stück „Djihad“.
 
Das neue Leitungsteam des Staatstheaters (v.l.): Schauspielleiterin Claudia Lowin, Schauspielleiter Christoph Diem, Chefchoreograf Gregor Zöllig (Leiter Tanztheater), Generalintendantin Dagmar Schlingmann, Verwaltungsdirektor Stefan Mehrens, Jörg Wesemüller (Leiter Junges Staatstheater), Operndirektorin Isabel Ostermann, Orchesterdirektor Martin Weller. Generalmusikdirektor Srba Dinic fehlte bei der Vorstellung.  Foto: Marcus von Bucholz
 
Das Schauspiel (15 Inszenierungen, drei Sonderveranstaltungen) bespielt dreimal die Bühne des Großen Hauses. Schauspielleiter Christoph Diem inszeniert im Oktober den Film-Klassiker „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Das neue Ensemble mit fast allen Mitgliedern können die Braunschweiger ab 16. September im „Haus der gebrochenen Herzen“ unter der Regie der neuen Generalintendantin Dagmar Schlingmann kennen lernen. Mit einer Hommage an David Bowie („And the Stars Look Very Different Today“), der Uraufführung „Le Havre“ der finnischen Kinolegende Aki Kaurismäki und der Adaption des Kinoklassikers „Spiel mir das Lied vom Tod“ (ebenfalls in Uraufführung) beweist der Spielplan die hohe Experimentierfreude der Macher. „Trotzig und kämpferisch“ wolle man sein, so Schlingmann. Und man habe durchaus den Anspruch, dass das Staatstheater Braunschweig „überregional wahrgenommen“ werde.
 
Das Tanztheater (5 Premieren, eine Wiederaufnahme, 2 Sonderveranstaltungen) startet im Oktober mit „Peer Gynt“ in der Regie von Gregor Zöllig. Das Staatsorchester hält neben 10 Sinfoniekonzerten in der Stadthalle (Verlegung während der Saison wegen Bauarbeiten in die VW-Halle geplant) an den beliebten Formaten Klassik im Park (21. 05. 2018), Neujahrskonzert, Opern-Nacht und den Matineen fest.
 
Ein Bläserquartett des Staatstheater-Orchesters empfing die Gäste zur Vorstellung des Spielplans 2017 / 2018.  
Foto: Marcus von Bucholz
 
Highlight im Spielplan könnten die Stücke des personell neu aufgestellten Musiktheaters werden. Dagmar Schlingmann sprach von einem „breit aufgestellten und kräftigen Opernplan“. Generalmusikdirektor Srba Dinic gibt zur Spielzeiteröffnung am 9. 09. 2017 seinen Einstand am Pult mit „Don Carlo“. Neben Richard Strauss’ „Elektra“ hat die neue Operndirektorin und gebürtige Braunschweigerin Isabel Ostermann ein mutiges Programm mit weniger häufig gehörten Werken aufgestellt, darunter „Moskau, Tscherjomuschki“ von Dmitri Schostakowitsch, der Kammeroper „Rivale“ von Lucia Ronchetti oder der „Clemenza di Tito“ von Wolfgang Amadeus Mozart – dank persönlicher Kontakte in der Regie von Jürgen Flimm. „Flimm freut sich, das Werk hier neu erarbeiten zu können, weil er mit seiner ersten Fassung nie ganz glücklich war“, so Isabel Ostermann, die im Berliner Schiller-Theater als persönliche Referentin für Flimm tätig war.
Ein experimentelles Stück mit unberechenbaren Bühneneffekten verspricht „Europeras 1 + 2“ von John Cage zu werden, der zur Inszenierung selbst nach Braunschweig anreisen wird.
 
Natürlich nicht fehlen wird das beliebte Burgplatz Open Air (in diesem Jahr mit dem Musical „Hairspray“). Zur 1. Braunschweiger Opern-Nacht stellt sich das neu zusammengesetzte Musiktheater-Ensemble am 26. und 30. August 2017 auf dem Burgplatz vor. Das Theaterfest lädt am 3. 09. 2017 zum Kennenlernen der neuen Mannschaft ins Große und Kleine Haus ein.
 
Abo-Karten für die neue Saison gibt es ab dem 5. 05. 2017, der reguläre Vorverkauf beginnt am 17. Mai.
 

2 Kommentare

  1. Große Erwartungen sollte man nicht haben. Alle so großartig angepriesenen Vorstellungen waren oft ein Flop. Oft gingen die Besucher während der Pause nach Hause. Am besten, man hört nicht auf das Geschriebene, sondern bildet sich ein eigenes Urteil, wenn man das Stück sehen möchte.

    • „Manche geh’n nach Hause, das ist der Zweck der Pause“ (Georg Kreisler).

      Ein eigenes Urteil kann man sich nur bilden, wenn man hin geht! Wer mit negativen Erwartungen ein Theater betritt, wird es auch selten mit einem Lächeln verlassen.

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