Mairede von Sebastian Wertmüller am 01.Mai 2021

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Schön, endlich mal wieder Kolleginnen und Kollegen analog zu sehen – wenn auch nur immer den oberen Teil des Gesichts.

Und gut, dass wir heute draußen sind, trotz Corona und alledem. Gut und notwendig, weil es beweist, dass es geht: mit Abstand, mit Maske, sicher und solidarisch und das unterscheidet uns von anderen, von Querdenkerinnen und Reichsbürgern, von Leugnerinnen und Esoterikern und von extremen Rechten wie der AfD.

Heute ist 1.Mai, heute reden wir über Kapitalismus

und zwar nicht über den netten Kapitalismus, der angeblich das Klima rettet, der angeblich erschwinglichen Wohnraum schafft und der angeblich allen Menschen eine Chance auf ein anständiges Leben bietet. Ich spreche von dem hässlichen Kapitalismus, der z.B. ein gutes Krankenhaus wie das Braunschweiger in die roten Zahlen zwingt wo es nur eine Schraube zum Drehen gibt: das Personal. Wo jetzt schon hunderte von Beschäftigten nicht einmal einen Tarifvertrag haben, weil sie in eine Tochtergesellschaft ausgegliedert sind. Wo viele Pflegekräfte übers Aufhören nachdenken, weil es zu viel Knochenarbeit für zu wenig Geld und zu wenig Anerkennung gibt. Da muss sich bei den Krankenhäusern was ändern und das geht nicht ohne Euch alle: Kliniken dürfen nicht der Profitmaximierung unterworfen werden, Gesundheit ist keine Ware und klare Ansage schon jetzt: Wer anfängt zu überlegen, unser Krankenhaus zu verscherbeln wird auf erbitterten Widerstand treffen!

Und da habe ich noch kein Wort zur alltäglichen Krise in den Pflegeheimen verloren: Was unsere Gesellschaft ihren alten Pflegebedürftigen und den Menschen, die dort arbeiten, zumutet, das ist nur noch unwürdig.

Oder sprechen wir vom Elend der Dienstleistungsgesellschaft in einer normalen Fußgängerzone wie der unsrigen: Einzelhandel, Kurier- und Expressdienste, Essenslieferanten, Prospektverteiler, Gastronomie mit zusammen tausenden Beschäftigten prägen das bunte Bild aber bis auf DHL, Karstadt und wenige andere Häuser gibt es da kaum noch wen, die oder sein Gehalt nach einem Tarifvertrag hat. Stattdessen Mindestlohn (oft auch weniger), Scheinselbständigkeit, Arbeit auf Abruf, Befristung, unregelmäßiges Einkommen, wir treffen das ganze Elend der prekären Arbeit.

ver.di startet gerade eine Tarifrunde im Einzelhandel – und immer weniger Arbeitgeber sind überhaupt noch tarifgebunden (übrigens dieselben, die sich beim Ruf nach Sonntagsöffnungen zu Lasten der Kolleginnen und nach schnellen Öffnungen ohne Schutz der Beschäftigten kaum zurückhalten können)

Auch da braucht es uns alle: eine starke Bewegung für allgemeinverbindliche Tarifverträge, gegen die Deregulierung der Arbeitsmärkte durch Befristungen, Minijobs, Leiharbeit und Scheinselbständigkeit, denn dort arbeiten vor allem die Menschen, die sich das Wohnen in unserer Stadt kaum noch leisten können. Auch Braunschweig hätte einen Mietendeckel wahrlich verdient!

Heute geht es um starke Gewerkschaften, aber es geht nicht nur darum: Die Armut trotz Arbeit im unteren Drittel unserer Gesellschaft braucht mehr: politisches Handeln, Gesetze, die den Arbeitsmarkt neu regeln. Um dahin zu kommen, braucht es eine breite soziale Bewegung, die die Abschaffung von Armut und Ausgrenzung in unserem Land als gesellschaftlichen Auftrag versteht.

Das ist unser Auftrag

An alle Kandidatinnen und Kandidaten, die Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin in Braunschweig werden wollen und an alle, die es in den Bundestag zieht, daher die dringliche Aufforderung:

Positionieren Sie sich gemeinsam mit uns Gewerkschaften, mit den Sozialverbänden für mehr soziale Gerechtigkeit, für mehr Geld für Krankenhäuser und für die Kommunen, für mehr Steuern, von denen, in der Krise millionen- und milliardenschwer geworden sind.

Dass Arbeitslose mit 150 Euro für Mehrbelastungen durch die Pandemie abgespeist werden und Großkonzerne trotz Kurzarbeitergeld und staatlichen Zuschüssen sogar Dividenden zahlen – das nicht nur eine Frechheit, das ist eine Kampfansage

Das materielle Elend verursacht auch Chaos in den Köpfen

Rechtes und rassistisches Denken finden wir überall, es hat aber auch eine soziale Komponente.

Wer dem Staat / den Medien / der Politik eh nicht vertraut, weil er oder sie immer nur enttäuscht wird, ist kein Garant für Demokratie und demokratische Teilhabe. Auch deshalb feiern wir am Samstag in einer Woche, am 8.Mai den Jahrestag der Befreiung vom Faschismus.

Eine Woche späte bauen wir eine Menschenkette um den Landesparteitag der AfD in Brauschweig – Motto „Die AfD in die Kette legen“

Kapitalismus ist unsozial, er ist klimafeindlich, er spaltet Menschen in oben und unten, er grenzt aus und er nervt.

„Solidarität ist Zukunft“, und ist da keine schlechte Ansage.

Lasst uns was draus machen:

in den anstehenden Tarifrunden, in der Auseinandersetzung um den Erhalt von BHW Braunschweig

Lasst uns vorbereitet sein, wenn es nach den Wahlen im Herbst darum geht, wer die Kosten der Krise zahlen soll: wieder nur die abhängig Beschäftigten und die mit dem kleinsten Geldbeutel, oder sind auch mal die Superreichen, von denen es immer mehr bei uns gibt, mit dabei.

Danke fürs Zuhören

2 Kommentare

  1. Eine gute Rede.

    Eine Meßlatte an alle Wahlkandidat*innen in Stadt und Bund, so zum Thema
    Pflege und Krankenhaus

    „Da muss sich bei den Krankenhäusern was ändern und das geht nicht ohne Euch alle: Kliniken dürfen nicht der Profitmaximierung unterworfen werden, Gesundheit ist keine Ware“ mit der klaren Forderung … – „Geld für Krankenhäuser“ !

    Ja, fast synchron heute wieder mit dem Oberbürgermeister, der übrigens auch nicht müde wird, genau das von der Landesregierung, vom Landtag – und von den immerhin SECHS Landtagsabgeordneten aus BS – zu fordern, eine adäquate Krankenhausfinanzierung.

    Und das heute erneut innerhalb weniger Wochen zum vierten Mal, im Rat 2x, in einer extra online-Konferenz, dann noch sogar in der BZ am 3. März ´21 schriftlich ins Stammbuch … „Markurth sieht Land in der Pflicht“ … zur Lage des Klinikums, dessen Finanzierung völlig aus dem Ruder zu laufen droht, wenn nicht … ?

    … ja wenn nicht ENDLICH z.B. die eigenen Landtagsabgeordneten, allen voran Pantazis (der sich jetzt für den Bundestag hat aufstellen lassen und im Klinikum gearbeitet hat), Bratmann und Schütze Ihrer Pflicht nachkommen und für eine solide Finanzierung, wie für die Häuser in Göttingen und Hannover längst üblich, zu sorgen.

    Dabei kommt doch Herr Pantazis aus dem hiesigen Klinikum, kennt also die Lage genau; hat allerdings in den zehn Jahren im Landtag dazu nichts, gar nichts zuwege gebracht, die anderen braunschweiger Abgeordneten auch nicht – von der traurigen knapp 4-jährigen Rolle der Gesundheitsministerin Reimann ganz zu schweigen.

    Um es deutlich zu sagen: Die eigenen Leute (Abgeordnete und Ministerin in Hannover) haben Markurth jahrelang im Regen stehen lassen – jetzt läßt er die braunschweiger SPD im Regen stehen, kandidiert nicht mehr und bringt die Genossen in die Klemme – hier dazu mein Kommentar :

    Nur eine Gesundheitskrise bei der braunschweiger SPD ?
    https://www.facebook.com/peter.rosenbaum.5/videos/3784243651669723

  2. Sehr geehrter Herr Wertmüller,
    Sie bezeichnen den 8.Mai als den „Jahrestag der Befreiung vom Faschismus“. An dem Tag war ich gerademal 4 Monate alt. Meine späteren Forschungen zum „Dritten Reich“ bis heute kommen immer zu dem Ergebnis, dass ich vom Nationalsozialismus befreit worden bin, von Nationalsozialisten wie z. B. Dietrich Klagges. Ja, die Italiener sind vom Mussolini-Faschismus beftreit worden und für Hitler war der italienische Faschismus weitgehend ein Vorbild für die deutsche Diktatur. Die NSDAP hieß „Nationalsozialstische Deutsche Arbeiterpartei“ und nicht „Faschistische Deutsche Arbeiterpartei“. Ja, der Begriff „Faschismus“ wurde später dann weltweit auch das Synonym für den deutschen Nationalsozialismus. Ich bin immer dafür, geschichtlich belegte Tatsachen als Grundlage für Äußerungen und Texte zu nehmen: In Deutschland herrschte von 1933 bis 1945 der deutsch geprägte Nationalsozialismus. Heute sprechen wir auch noch von „NeoNazis“ und meistens nicht von „NeoFaschos“. Warum bleiben Sie nicht bei der geschichtlichen Wahrheit? Haben Sie ein Problem, in der Parteibezeichnung NSDAP die Begriffe „Sozialismus“ und „Arbeiter“ zu erwähnen? Unter den damaligen Nationalsozialismus gab es unglaublich viele ehemalige Sozialisten und vor allem auch Arbeiter. Haben Sie das vergessen?
    Freundliche Grüße,
    Jürgen Kumlehn
    Erinnerer
    Wolfenbüttel

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