„Krieg ohne Ende“: offener Brief zur BZ-Veranstaltung im Medienhaus

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Von Dieter Daunert

Sehr geehrter Herr Noske,

Etwas verspätet möchte ich mich zu der Veranstaltung, die in Medienhaus unter dem Titel „Krieg ohne Ende“ stattfand, äußern.
Ich habe die Veranstaltung als beeindruckendes Beispiel geschickter journalistische Manipulation empfunden. Ich hatte gehofft, eine differenzierte Informationsveranstaltung zu bekommen.

Tatsächlich wurden durch den Einstieg mit der ukrainischen Folklore und die ukrainische Nationalhymne am Ende der Veranstaltung nationalistisch getränkte Emotionen erzeugt, die mir eher für eine Propaganda- als für eine Informations- und Diskussionsveranstaltung geeignet erschienen: Nämlich den vielfach intonierten Ruf nach immer mehr und schwereren NATO-Waffen für einen Sieg über Russland zu befeuern, als differenzierte Informationen darüber zu bieten, wie die aktuelle Situation mit ihrer grauenhaften humanitären Dimension entstanden ist. Die Zusammensetzung des Podiums mit vier Kriegsbefürwortern und einer alternativen Stimme ließ keine differenzierte Beurteilung der aktuellen politischen Situation zu.

Wenn man die aktuelle Kriegssituation beurteilen möchte, die ohne Zweifel eine völkerrechtswidrige Annektion der Ukraine durch die Russische Föderation darstellt, muss man auch die Hintergründe und die Konsequenzen aus der aktuellen Situation mit betrachten. Das ist meiner Ansicht nach in dieser Veranstaltung nicht geschehen. Der aktuelle Krieg hat auch für Russland vermutlich dramatische ökonomische Folgen, so dass man sich fragen muss, warum ein russischer Präsident diesen Krieg begonnen hat. Man muss also auch fragen, welche politischen Motive ihn dazu bewogen haben und welche Hintergründe dieser meiner Ansicht nach irrationale Waffengang hatte und der jetzt schon etwa 250.000 Menschen das Leben gekostet hat. In der Veranstaltung am Donnerstag letzte Woche sind ökonomische Interessen der USA und geopolitische Zusammenhänge überhaupt nicht dargestellt worden. Ebenso ist die Atomkriegsgefahr, die durch die westliche Politik der Waffenlieferung massiv befördert wird, überhaupt nicht ausreichend dargestellt worden.

Wenn Sigmar Gabriel als Vorsitzender der Atlantikbrücke der Meinung ist, dass seine drei Töchter nicht in einem von Russland dominierten, autokratischen Regime leben sollten, so kann ich das nachvollziehen. Ebenso würde ich mir aber wünschen, dass meine zwei Töchter nicht in einem durch einen Nuklearkrieg verheerten Europa verbrennen oder später darin vegetieren müssten.

Die aktuelle Politik der USA und Europas führt leider in der Konsequenz zu der Situation, dass diese Entwicklung eintreten kann. Zu glauben, man könnte gegen eine Atommacht einen konventionellen Krieg gewinnen, ist lächerlich.

Präsident Putin, der nachgewiesener Weise ein erbarmungsloser KGB Kader ist, die in einer Situation in der Russland ökonomisch und militärisch am Boden liegt, keine Atomwaffen einsetzen würde, ist weltfremd und irrational. Um diese Gefahr auch nur ansatzweise realistisch zu beleuchten, gehören aus meiner Sicht auf ein solches Podium sicherheitspolitische und militärische Fachleute wie etwa Prof. Dr. Johannes Varwick, Brigadegeneral a.D. Dr. Erich Vad oder General a.D. Harald Kujat (Ich könnte Ihnen noch viele weitere Beispiele nennen.). Ich hätte mir gewünscht, daß das Podium im Medienhaus der deutschen Braunschweiger Zeitung angemessen differenziert, besetzt worden wäre, und auch die berechtigten Sicherheitsinteressen der russischen Föderation ausreichend dargestellt worden wären.
Hochachtungsvoll
Dr. Dieter Dauner (Mitglied der IPPNW)

P.S. Da mir klar ist, dass dieser Leserbrief nicht veröffentlicht werden wird, werde ich ihn als offenen Brief in Braunschweig Spiegel und über die Webseite des Friedenszentrums veröffentlichen.

2 Kommentare

  1. Vielen Dank fuer diese Wortmeldung, Hr. Dr. Dauner!
    Ich war den Abend dort, aber war es sinnvoll? Erklaerungen von der Atlantikbruecke zu hoeren, oder vom ‚European Council of Foreign Affairs‘? Hr Noske hat versucht Streit zu vermeiden, aber muss er dann oefter Frau Dagdelen ins Wort fallen?

    Gewalt darf sich nicht lohnen!

    denkt der Homo oeconomicus.
    Skurile Szenarien wie „Erst erobern sie die Ukraine, dann kommt das naechste Land dran“ wurden auch erwaehnt – angesichts der realen Machtverhaeltnisse voellig abwegig. Waere auch nicht sinnvoll, ein Land wie die Westukraine mit einer russlandfeindlichen Bevoelkerung zu besetzen – eine Situation wie die der britischen Armee in Nordirland: schmerzhaft und sinnlos.
    Anhand der voellig fehlenden Analyse scheint die Vorstellung zu herrschen, „morgends steht der Putin auf und ueberlegt: welches Land ueberfalle ich denn heute?“

    Geruechte von entfuehrten Kindern fuellen die Schlagzeilen. In einem Kriegsgebiet – auch mit Waisen – nicht ueberraschend, aber wie war die Berichtende an der Front (oder in Russland)? Aus dem Donbass zu schreiben ist verboten und wird mit Jobverlust bestraft.
    Mittlerweile hoert man von Folterkellern, speziell fuer Kinder – vermutlich militaerische Geheimnistraeger, oder vielleicht doch nur Propaganda?

    Ich vermute mal, Putin hat lange darueber gegruebelt, ob er diesen Krieg beginnen soll. Angesichts der Aufruestung der Ukraine zu warten, bis auch dort eurostrategische Waffen stehen – dieses Risiko war ihm vermutlich zu gross. Angela Merkel hat erklaert: Minsk II war nur Verzoegerungstaktik zum Aufruesten der Ukraine.

    Und auf die Krim (mit ihren eisfreien Haefen) kann Russland sowenig verzichten wie die USA auf Kalifornien mit seinen Marinebasen.

    Alle haben lange, lange vor roten Linien gewarnt, Helmut Schmidt, Henry Kissinger, Verheugen, Dohnany, amerikanische und deutsche Militaers, Politiker und Wissenschaftler. Andere nicht, wie Zbigniew Bzrezinski, siehe (1)! Alles vergessen? Wie dumm kann man sein?

    Es hat den Anschein, wir brauchen erstens weniger Propaganda, weniger heisse Stories aus dem Kriegsgebiet.
    Und zweitens einen neuen Kennedy (wie in der Kuba-Krise), einen zweiten Willy Brand und einen zweiten Egon Bahr. Woher nehmen?

    1. https://de.wikipedia.org/wiki/Die_einzige_Weltmacht:_Amerikas_Strategie_der_Vorherrschaft

  2. Sehr hilfreicher Brief und Kommentar! Ich war nicht im Medienhaus bei dieser Veranstaltung.
    Es wird immer unerträglicher mit dem derzeitigen Pressekrieg gegen Andersdenkende! Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer werden beschimpft und verunglimpft und damit zehntausende anderer Menschen, die aus der Geschichte gelernt haben. Es gibt keinen Siegfrieden, nur immer mehr Opfer! Die Menschen, die in Berlin demonstriert haben und das Manifest für den Frieden unterschrieben haben, werden verdächtigt, mit Rechten zusammen zu gehen. Ja, die „Reichsbürger“ und andere Neonazis versuchen, die Stimmung im Land für sich zu nutzen und zu vereinnahmen, das ist und war immer so. „Der westliche Sieg wäre allenfalls ein Pyrrhussieg“ leitet Hans-Georg Ehrhart in der Wochenzeitschrift „Freitag“ vom23.2.23 einen Abschnitt zu Athens Schicksal ein aus dem Artikel „Der Keim des Krieges“. Aber für diejenigen, für die Geschichte von Kriegen erst mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine beginnt, sind solche Zusammenhänge eher fremd und damit abzulehnen. Auf der Kundgebung in Braunschweig vor dem Kaufschloss wurde unter den Augen des OB ein Schild der Ukrainer gezeigt mit der Aufschrift „Ehre den Helden-Tod den Feinden“. Es erinnert ein bisschen an die Propaganda im ersten Weltkrieg:“Der letzte Hieb ist die 8.Kriegsanleihe“. Hoffen wir auf einen größeren Überlebenswillen und gesunden Menschenverstand! In Berlin sah man eine Pappe mit dem Slogan :“Besser Ferngas als Nahtod!“ Also Verhandeln statt schießen!

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