Digitale Erbinformationen müssen frei verfügbar bleiben

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DSMZ Mitarbeiterfotos in Braunschweig

Sind die Erbinformationen nicht frei verfügbar, so können z.B. Krankheitserreger nicht sofort weltweit identifiziert werden. Auch wäre es ein Hindernis für die weltweite Forschung in der Mikrobiologie. Die Forderung ist: Erbinformationen sollen ein öffentliches Gut sein.

Die nächste Vertragsstaatenkonferenz unter der Schirmherrschaft der UNO verhandelt über ein globales Post-2020 Rahmenprogramm für die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt für den Zeitraum bis 2050.

Sollte die 15. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD-COP 15) im Oktober 2021 im chinesischen Kunming den offenen Zugang auf Daten einschränken, wäre die globale Wissenschaft stark beeinträchtigt. Die zentrale Botschaft der Biodiversitäts-Community ist vor diesem Hintergrund „Keep digital sequence information a common good!“.

In einem Positionspapier machen sich 430 Forschende aus zehn EU-Mitgliedsstaaten für den Erhalt der digitalen Sequenzinformationen als freies öffentliches Gut stark. Das Positionspapier ist unter anderem an die zuständigen Direktorate der EU Kommission gerichtet, die bei der nächsten Vertragsstaatenkonferenz Einsatz für die freie Verfügbarkeit von digitalen Sequenzinformationen (DSI) zeigen sollte. Sprecher des Leibniz-Forschungsnetzwerkes Biodiversität sind Jörg Overmann (Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen), Kirsten Thonicke (PIK) und Johannes Vogel (MfN).

Mikrobiologe Jörg Overmann macht sich mit 430 Forschenden aus Europa für Open DSI stark:

„Globale Probleme wie Artensterben und Rückgang der biologischen Vielfalt, Klimawandel, Pandemien und Hunger können nur bei freiem Zugang zu digitalen Sequenzinformationen gelöst werden!“, macht Prof. Dr. Jörg Overmann, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, deutlich. „Ohne den freien Zugang auf digitale Sequenzinformationen (DSI) funktioniert Wissenschaft national, europäisch und international nicht und daher müssen digitalen Sequenzinformationen als Gemeingut erhalten bleiben.“, so Professor Overmann weiter. Der Mikrobiologe gehört zu den Unterzeichnern des Positionspapiers des Leibniz-Forschungsnetzwerks Biodiversität. Die Stellungnahme setzt sich für den Erhalt der digitalen Sequenzinformationen als freies öffentliches Gut ein und ist unter anderem an die zuständigen Direktorate der EU Kommission gerichtet. Das Positionspapier trägt die Unterschriften von 430 Forschenden aus zehn EU-Mitgliedsstaaten. Sprecher des Netzwerkes sind die Wissenschaftler Jörg Overmann (DSMZ), Kirsten Thonicke (PIK) und Johannes Vogel (MfN).
Erhalt der biologischen Vielfalt (Biodiversität) durch Open DSI
Die biologische Vielfalt lässt sich nur bei frei verfügbaren digitalen Sequenzinformationen (Open DSI) erhalten. Ohne offenen Zugang wären Forschende handlungsunfähig und wissenschaftliche Entwicklungen langsamer oder sogar unmöglich. „Das wissenschaftliche Leitprinzip von Open Data und Open Science muss erhalten bleiben.“, fordert Jörg Overmann. Wie wichtig die freie Datenverfügbarkeit ist, machen beispielsweise die COVID-19-Pandemie und die Antibiotikakrise deutlich: Um die Antibiotikakrise zu beherrschen, nutzt die Forschung digitale Sequenzinformationen mit deren Hilfe sie Vorhersagen darüber erstellt, ob ein Mikroorganismus in der Lage ist, Antibiotika zu produzieren oder andererseits Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt hat. Diese in silico-Experimente können Forschende nur durchführen, wenn sie uneingeschränkt Zugriff auf digitale Sequenzinformationen haben. Open DSI bedeutet, dass auch Geninformationen von bisher unkultivierbaren Mikroorganismen ausgelesen und genutzt werden können. Gibt es eine vielversprechende Vorhersage, können bestimmte Abschnitte der Erbinformation in einen anderen Mikroorganismus überführt werden. Dieser kann dann das gewünschte Antibiotikum produzieren.

Open DSI essentiell für globale SARS-CoV-2-Forschung
Hätten die Forschenden global nur eingeschränkten Zugriff auf die SARS-CoV-2-Sequenzinformationen, wäre beispielsweise die Identifizierung der Delta-Variante als neue vorherrschende Virusvariante erst viel später erfolgt. Die Charakterisierung hinsichtlich Ansteckungsrisiko und Schweregrad der Erkrankung hätten Forschende in den einzelnen Ländern der Welt mühsam erforschen müssen. Dies hätte höchstwahrscheinlich ein deutlich gefährlicheres Infektionsgeschehen zur Folge gehabt. Mit dem freien Zugriff auf die digitalen Sequenzinformationen des Coronavirus konnten Forschende global eng zusammenarbeiten, so dass Gegenmaßnahmen rasch und länderübergreifend eingeleitet werden konnten. „Internationales freies Datensharing ist für die Lösung komplexer Probleme zwingend notwendig!“, fasst Professor Jörg Overmann abschließend zusammen.

1 Kommentar

  1. „Keine Patente auf Leben“ hiess es vor 20 Jahren, als attac
    und andere begannen, diese Spielart des Casino-Kapitalismus zu analysieren.
    Dieser Artikel thematisiert ausschliesslich die freie Datenverfügbarkeit, ohne sich – nicht einmal im Ansatz – mit der neoliberalen Dampfwalze, sprich – dem Schutz sogenannter „Geschäftsgeheimnisse“ oder eben im schlimmsten Fall, mit den Patenten auf lebendige Organismen zu beschäftigen. Peinlich!
    C.M.

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