Bezirksrat Südwest: Nein zum Gewerbegebiet

3
Bodenzahlen Braunschweig West/Südwest/Süd Quelle: https://numis.niedersachsen.de

Von Edgar Vögel, Bürgerinitiative SüdWest Braunschweig

Endgültiges Aus für ein Industrie- und Gewerbegebiet im Südwesten Braunschweigs – Jetzt!

Erneut, kurz vor der Sommerpause, hat der Bezirksrat Südwest die Forderung zum Beschluss erhoben, den Flächennutzungsplan für den Braunschweiger Südwesten zu ändern. Statt des Vorrangs für Gewerbe soll so künftig die landwirtschaftliche Nutzung absolute Priorität haben – also genau das, was seit vielen Generationen dort geschieht. Die Möglichkeit, dort regenerative Energieformen zu gewinnen, soll offenbleiben. Die erneute Beschlussfassung war nötig, um aus einer eher unverbindlichen Resolution einen Antrag an den Rat (nach § 94 (3) Niedersächsische Kommunalverfassung) werden zu lassen.
Die Bürgerinitiative SüdWest Braunschweig unterstützt dieses Vorgehen vorbehaltlos. Seit ihrer Gründung vor fünf Jahren fordert sie von der Kommunalpolitik, die Flächen im Südwesten nicht anzutasten. Jetzt besteht die begründete Hoffnung auf einen Schlussstrich. Denn die einstigen Befürworter konnten viele neue Erfahrungen machen. Einige Stichworte:

  1. Eine wissenschaftliche Untersuchung des Instituts für Geoökologie der TU bewies 2019 die eminente Bedeutung der unversiegelten Flächen für das Stadtklima. Hätte die Bebauung, wie geplant bereits begonnen, wären die Folgen für den Innenstadtraum angesichts der Klimaerwärmung verheerend. Vor diesen Folgen hat die Bürgerinitiative von Anfang an (vergeblich) gewarnt – die Verwaltung hatte sie zunächst vehement bestritten.
  2. Die Prognosen in der Machbarkeitsstudie von 2018 über die zu erwartende Wirtschaftsentwicklung und die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts erwiesen sich als realitätsferne Phantastereien. Der Widerstand gegen das Projekt hat dazu beigetragen, dass mindestens 125 Millionen Steuergelder (Stand 2018) nicht in den Sand gesetzt wurden. Bei jährlichen Wachstumsraten von 3,5% sollte nach 20 Jahren die Verlustzone verlassen werden. Diese naiven Schönrechnungen waren der Stadt (zusammen mit SZ) seinerzeit immerhin 100.000 Euro für eine „Machbarkeitsstudie“ wert.
  3. Als Alleinstellungsmerkmal wurde seinerzeit die ideale Verkehrsanbindung (Autobahn, Schiene, Kanal) herausgestellt. Potemkinsche Dörfer – wie ein genauer Blick zeigt. Ein Kanal, aber kein Hafen; Schienen in Beddingen, aber keine Gleisanschlüsse; eine Autobahn, die ohne zweite teure Anschlussstelle den Verkehr gar nicht hätte aufnehmen können, usw. …
  4. Ja, die Machbarkeitsstudie: 607 Seiten Gutachten, aber kein Sterbenswörtchen zur Qualität der Ackerböden, die unwiederbringlich vernichtet worden wären; keine Bodenzahlen, nichts zur Bodenqualität. Kein Wort dazu seinerzeit auch von der Stadt – nur lautes Schweigen. Jetzt ist zu vernehmen, dass die Verwaltung der Stadt Plänen für eine Solarfarm in Leiferde ablehnend gegenüberstehe: „Die Güte des Bodens war im Vorjahr ein wesentlicher Grund, dass die Solarfarm-Pläne von der Stadtverwaltung abgelehnt wurden“ (BZ, 01.08.22). Dabei geht es um 51 Hektar Fläche. Als die Gewerbegebietspläne in der Machbarkeitsstudie ausgebreitet wurden, sollten es mindestens 330 Hektar sein. Die Bodenzahlen (oder -werte), mit denen die Qualität von Ackerböden bemessen wird, sind hier sogar im Schnitt deutlich höher als in Leiferde! Durch den Krieg in der Ukraine wird uns derzeit drastisch vor Augen geführt, wie wichtig Ernährungssicherheit ist und welch hohe Bedeutung lokal erzeugte Lebensmittel wirklich haben. Und wir haben in Braunschweig mit die besten und ertragreichsten Ackerböden Europas quasi vor der Haustür und die sollen wirklich unwiederbringlich zerstört werden, absurden Modellrechnungen geopfert werden?
  5. Im Verkehrsgutachten (VTU) im Rahmen der Machbarkeitsstudie wird bereits für die erste Ausbaustufe des Gebietes (von 3 geplanten) mit täglich 8.217 PKW und 2.190 LKW gerechnet (S.9). Im soeben veröffentlichten „Integrierten Klimaschutzkonzept 2.0“ der Stadt Braunschweig bis 2030 wird der drastischen Reduzierung des motorisierten Verkehrs zurecht eine Schlüsselrolle für das Gelingen zugesprochen. Mit einem Gewerbe- und Industriegebiet am Stadtrand und seinen immensen zusätzlichen Verkehrsflüssen, die vor allem Braunschweig zuzurechnen sind, wäre das Klimaschutzkonzept von vorneherein Makulatur.

Die Bürgerinitiative SüdWest Braunschweig erwartet von Rat und Verwaltung, dass der Flächennutzungsplan jetzt geändert und ein Schlussstrich unter die Pläne eines Gewerbe- und Industriegebietes im Braunschweiger Südwesten gezogen wird. Dem Willen der Menschen im Südwesten, wie er im Beschluss ihres Bezirksrates erklärt wird, müssen jetzt Taten folgen. Damit auch künftig Schaden von unserer Stadt abgewendet wird:

Endgültiges Aus für ein Industrie- und Gewerbegebiet im Südwesten Braunschweigs – Jetzt!

3 Kommentare

  1. Der Oberbürgermeister Thosten Kornblum (SPD) steht nach wie vor hinter dem „Ackerboden-Gewerbegebiet“. Er ist bisher keinen Deut von seinen Aussagen abgerückt: „Gewerbegebietsphantasien von SPD-OB-Kandidat Kornblum“: https://braunschweig-spiegel.de/interkommunale-gewerbegebietsphantasien-von-spd-ob-kandidat-kornblum-bibs-widerspricht-entschieden/
    Solange die Wachstumsideologie die entscheidende Rolle spielt im Wirtschaftsgeschehen, solange gibt es keinen erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel. Das System wird ständig an seine Grenzen stossen.

  2. Man kann alles (wie die BI) ablehnen, ohne zu sagen, wo sich sonst Industriebetriebe ansiedeln können, die rund um die Uhr produzieren können.
    https://bzv-medienhaus.pageflow.io/industriegebiet-bs-sz

    Es mangele weiter an Flächen für Betriebe, die täglich rund um die Uhr produzieren und wegen Lärm und Schadstoffausstoß Abstand zu Wohnhäusern haben müssen.
    Eine Ansiedlung von Industriebetrieben, welche rund um die Uhr produzieren können, ist im dicht besiedelten Stadtgebiet BS inzwischen undenkbar. Größere Flächenreserven sind in Braunschweig nicht mehr vorhanden.

    Zu Alternativen für Ansiedlung von Industriebetrieben kommen keine Vorschläge.
    Nur wo es NICHT gemacht werden soll.
    Von NIMBY kommen keine neuen Gewerbesteuer-Einnahmen.

    Es gibt viele Möglichkeiten die vorhandenen Flächen mehrfach zu nutzen :
    Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende
    Link: https://agri-pv.org [Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE]
    • ZDF berichtet über Agri-PV-Anlage im Obstbau
    • Sendung mit der Maus berichtet über Agri-PV

    Interessant und arrogant ist ja, dass man (die BI) Den „Willen der Menschen im Südwesten“ kennt“!
    So ganz klar ist wohl auch nicht WELCHER künftiger „Schaden von unserer Stadt abgewendet wird“ !

    • Anders als der selbstgewählte Name suggeriert, liebt Herr B. seine Stadt nicht; ihr Klima und ob sie lebenswert bleibt, ist ihm offenbar egal. Lesen – nachdenken – argumentieren – schreiben. Herr Braunschweiger kann Teile davon weglassen, aber das merkt man dann auch. Das „integrierte Klimaschutzkonzept 2.0“ der Stadt Braunschweig hat 156 Seiten. Auf ihnen wird dargestellt, welche Anstrengungen die Stadt bis 2030 unternehmen muss, um der drohenden Klimakatastrophe dort zu begegnen, wo die Stadt selbst Handlungsmöglichkeiten hat. Eine drastische Einschränkung des motorisierten Verkehrs steht dabei ganz oben. Das ist Herrn B. nicht klar. Ja und im Konzept wird auch formuliert: „Aufgrund der Knappheit von Gewerbe- und Industrieflächen im Stadtgebiet werden die Nachverdichtung und Innenentwicklung sowie Revitalisierung prioritär verfolgt. Ergänzend sollen interkommunale Entwicklungen geprüft werden.“ Das wären also schon mal Alternativen und Prioritäten, die inzwischen auch die Stadt selbst sieht. Herr B. nicht. Und klar ist: Entweder man setzt das Klimaschutzkonzept um oder stampft ein Industrie- und Gewerbegebiet am Stadtrand aus dem guten Ackerboden. Diese Alternative denunziert Herr B. als „NIMBY“. Warum braucht die Stadt neue Industriebetriebe, die rund um die Uhr produzieren? Am 28. Juli war „Earth Overshoot Day“. Er zeigt an, dass die Menschheit mehr Natur „verbraucht“ als diese regenerieren kann. Das bedeutet: Um den gegenwärtigen Ressourcenverbrauch der Menschheit zu decken, bräuchten wir mittlerweile 1,75 Erden. Das muss Herr B. nicht interessieren. Und dass der Wille der Menschen im Südwesten in einem entsprechenden Bezirksratsbeschluss zum Ausdruck kommt, steht in der Presseerklärung – ganz vorne, Herr B., aber: s.o.
      Edgar Vögel

Schreibe einen Kommentar zu Uwe Meier Antwort abbrechen

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.