Kultur im Kanzleramt: „Wenn die Welt untergeht, … dann soll es halt so sein!“ Dem widerspricht Berthold Brecht.

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Statt ein Gedicht zu kommentieren, hält eine ukrainische Sängerin vor Olaf Scholz eine Rede über den Krieg. Ein Schreck fährt durch das Publikum, als sie Waffenhilfe auch um den Preis des Weltuntergangs fordert.

Mariana Sadovska, eine Sängerin und Komponistin aus der Ukraine, die 1972 in Lemberg geboren wurde und seit 2002 in Köln lebt, formulierte ihre Sätze vor Bundeskanzler Olaf Scholz mit eigenen Worten. Sie machte deutlich was die Welt jetzt tun müsse, um ihrem Land zu helfen. Sie sprach sich indirekt für den Atomkrieg aus.

Der Reihe nach: Kulturstaatsministerin Claudia Roth hatte zu einer Lesung von Schriftstellern in der Reihe „Kultur im Kanzleramt“ eingeladen. Sadovskas Auftritt wurde kurzfristig zusätzlich ins Programm genommen; sie sollte ein Gedicht aus ihrer Heimat vortragen und auch etwas dazu sagen. Statt über das Gedicht sprach sie jedoch über den Krieg.

Der NATO warf sie vor, sich allein von der Furcht vor atomarer Vergeltung davon abhalten zu lassen, eine Flugverbotszone einzurichten. Die Befürchtungen beschrieb sie nicht etwa als unbegründet; im Gegenteil, sie selbst teilt sie: „Natürlich haben wir große Angst, dass dadurch alles eskaliert und es zu einem Atomkrieg kommt und die ganze Welt untergeht.“ Allerdings: „Aber wir können doch nicht so einen Verbrecher wie Putin davonkommen lassen, nur weil er mit der Atombombe droht

„Wenn die Welt untergeht, weil wir der Ukraine helfen“, dann soll es halt so sein!“sagte sie von dem Rednerpult aus, an dem kurz zuvor auch der Bundeskanzler gesprochen hatte. Durch das Publikum, das sich in Corona-Abständen auf den Stufen des repräsentativen Treppenhauses verteilt hatte, fuhr ein Schreck, weil Sadovska ungerührt aussprach, worauf ihr Appell hinauslief: Auf Massenmord durch Atomkrieg, weil wir uns von Putin nicht erpressen lassen wollen.

Auch der FAZ-Kommentator Patrick Bahners (vom 29.03.22) hatte anscheinend keine Probleme mit einem Weltkrieg und Atomwaffen: „Wir werden bis auf Weiteres damit leben müssen, dass Sadovska und ihre Landsleute uns ins Gewissen reden. Und wir müssen ertragen, dass sie mit keinem Wort an unser Mitleid appellierte, sondern Forderungen der Gerechtigkeit aufstellte, also in unserem eigenen Interesse sprach.“

Kommentar

Mariana Sadovska erhielt im Kanzleramt keine Antwort. Warum eigentlich nicht? Warum wurde ihr nicht sofort widersprochen und sie aus dem Kanzleramt gewiesen?  Wir müssen nicht damit leben, dass Politiker und Künstler aus der Ukraine zunehmend für einen Weltkrieg werben, schon gar nicht von deutschem Boden aus oder gar aus dem Kanzleramt.

Es ist zu hoffen, dass sich Claudia Roth zukünftig ihre Gäste sachkundiger aussucht und dass die Berliner Politik sich der Weltkriegshetze aus der Ukraine entschieden entgegenstellt. Dadurch, dass sie selber massiv leidet entsteht kein Anspruch, auch die Welt leiden zu lassen. Solidarität hat ihre Grenzen, und die sind überschritten.

Nein, Herr Bahners, in unserem Interesse sprach Frau Sadovska nicht. Ich wüsste keinen Deutschen, der einen Atomkrieg aus Gründen der Gerechtigkeit möchte. Bedenklich stimmt jedoch, dass so langsam, zunächst verbal, in der bürgerlichen Presse die Hürden zu einem Atomkrieg abgebaut werden. Will man dem drohenden Kriegsverbrecher Putin etwa von Seiten der NATO das Wasser reichen?

Dazu Berthold Brecht in seiner Rede für den Frieden, 1952

Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. Die Beschreibung, die der New Yorker von den Gräueln der Atombombe erhielt, schreckten ihn anscheinend nur wenig. Der Hamburger ist noch umringt von Ruinen, und doch zögert er, Hand gegen einen neuen Krieg zu erheben. Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen. Der Regen von gestern macht uns nicht nass sagen viele.

Die Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben, ihr äußerster Grad ist der Tod. Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote, wie Leute, die schon hinter sich haben, was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.

Und doch wird nichts mich davon überzeugen, dass es aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht zu wenig gesagt wurde! Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!

Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.

1 Kommentar

  1. Der Kulturverlust der letzten zwei Jahre wirkt sich nun massiv aus.
    Es hatte den Anschein, als habe die andauernde Einschränkung der Kultur akribisch orchestriert stattgefunden, um für weitere antidemokratische Vorgänge von Nutzen zu sein.

    Warum „solidarisiert“ sich denn die westeuropäische, insbesondere deutsche Bevölkerung, derart simplifizierend mit „der Ukraine“ ohne die Vorgeschichte eingehend zu prüfen.
    Man belächelt z.B. den von Russland (u.a.) benannten Grund des Angriffs: den der „Entnazifizierung“.
    Ein einfacher Blick in die Archive des „Simon Wiesenthal Centers“ könnte über die aktuelle Verbreitung des Faschismus in der Ukraine Aufschluss geben. Man könnte erfahren, wie weit die internationale Vernetzung von „Swoboda“, „Azov“ und anderen faschistischen Organisationen geht, und wie weit dies für die Anwerbung von Söldnern aus aller Welt für einen langen, zermürbenden Krieg mit Russland von Bedeutung ist.

    Man könnte auch erfahren, wie die deutsche Regierung im Majdan 2014, einem von den USA mit 5 Mrd Dollar (Victoria Nuland, Vize-Aussenministerin der USA bekannte sich dazu) bezahlten Regimechange (bzw. Putsch) die Neuordnung der Ukrainischen Politik nach westlichen Vorstellungen unter Beteiligung der Faschisten mit organisierte.

    Herr Steinmeier war vor Ort und nicht nur eingeweiht, sondern selbst in Verhandlungen aktiv, was in diesem kurzen Video-Einspieler – damals bei Anne Will – gezeigt wurde: https://www.nachdenkseiten.de/?p=82579#h09
    Letztlich ein Zivilisationsbruch mit Ansage.

    Faschistische ukrainischen Militäreinheiten waren in der Phase der Kriegsvorbereitung und Aufrüstung durch die USA die bevorzugten Partner des Westens (analog zu ISIS, Al Kaida …).
    Daher ist das Thema ganz eindeutig relevant für Friedensverhandlungen.

    Die deutsche Presse suggerierte jedoch in den Jahren nach dem Majdan der Masse der Bevölkerung, es herrschten nun Freiheit und Demokratie in der Ukraine, der Wohlstand werde auch bald folgen.
    Doch es gab lediglich einen fortgesetzten neoliberalen Umbau mit Hilfe der bekannten Schock-Strategie, der in Folge des wegbrechenden Handels mit Russland die vom Westen finanzierte Militarisierung zur wichtigsten Einkommensquelle werden liess.

    Diese 8 Jahre währende Aufrüstungsphase (2014-1/2022) wurde uns westeuropäischen Bürgern als Solidarität mit der Ukraine verkauft.
    Die meisten von uns haben es geschluckt und verwenden den Begriff „Solidarität“ in diesem Kontext weiter…
    Wie wir sehen, hat sich die Situation entsprechend der Eskalationslogik fortentwickelt, während wir gewohnheitsmässig fordern, einfach mehr von dem gleichen, bereits gescheiterten Rezept anzuwenden, anstatt uns um einen Frieden auf Basis eines Interessenausgleichs zu kümmern.

    Dazu müsste „der Westen“ überhaupt erstmal den Russen zugestehen, dass sie eigene Interessen haben dürfen. Man müsste darauf verzichten, auf Russlands „Ruin“ oder eben, auch des öfteren (vor dem 24.2.22) geschehen, auf Russlands „Vernichtung“ zu hoffen, bzw. Russland als potentiellen „failed state“ oder mögliche Kolonie zu betrachten.

    Das tut der Westen aber nicht. Er emotionalisiert weiter die niederen Instinkte.
    Kriegstreiber aller Nationen haben es derzeit sehr leicht, uns ihre menschenverachtenden Absichten verbrämt über vorgebliche „Kultur“ oder als „Solidarität“ zu verkaufen.

    Das geht mittlerweile so weit, dass wir in Westeuropa unsere Bereitschaft bekunden, aus Solidarität mit der Ukraine unsere eigene Wirtschaft zu zerstören (M. Brudermüller, BASF).
    https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/basf-chef-warnt-in-embargo-debatte-vor-zerstoerung-der-gesamten-volkswirtschaft-a-87009924-b320-4ba5-87b6-68d34fef864b

    Es geht hier um nicht weniger als eine Massenpsychose.

    C.M.

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