Die konsequente Gewaltlosigkeit der Klebe-Klimaaktivisten verleitet paradoxerweise dazu, Aktivisten in die Nähe von Terroristen zu rücken. Warum nur die Klebeaktivisten? Wie war es mit den LKW-Fahrern, die tagelang die Inntalautobahn blockierten, weil sie ökonomische Interessen durchsetzen wollten? Wanderten die auch in den Knast? Zu recht natürlich nicht! Klimaaktivisten schon.
Erste Urteile gegen die Protestkleber sind gesprochen. Aber die Richterschaft ist sich nicht einig, ob die Festgeklebten Straftaten begehen. Es wird noch dauern bis sich ein einheitliches Bild in der Rechtsprechung ergibt. Aber auch ein einheitliches Bild muss vor dem Verfassungsgericht Bestand haben. Wie schwierig das ist erlebte die Richterschaft bei der sog. „Richterblockade“ in Mutlangen vor 35 Jahren.

Eigentlich geht es um was anderes. Die Politik ist hilflos, weil sie weiß, dass die Aktivisten recht haben, weil die Politiker wissen, dass sie verkehrspolitisch und damit klimapolitisch versagt haben. Sie haben nichts getan und sie wollten nichts tun, um den Anstieg des CO2-Gehalts der Luft im Rahmen der Verkehrspolitik zu senken, wie die vier bayerischen Verkehrsminister der CSU (Ramsauer, Dobrindt, Schmidt, Scheuer) der letzten 12 Jahre. Der Verkehrsminister Wissing von der FDP setzt diese Politik nahtlos fort. Das Politikversagen ist entlarvt und wird zielstrebig fortgesetzt.
Lesen Sie die Hintergründe der Empörung über die Klebeaktivisten durch die Politik: „Politik der Doppelmoral“ von Stefan Kühl. Er ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld und forscht über politische und religiöse Bewegungen. Vor kurzem erschien von ihm „Der ganz formale Wahnsinn. 111 Einsichten in die Welt der Organisationen.“
Gibt es gewaltfreie Gewalt?
Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Ist nicht Stillsitzen geradezu der Inbegriff der Gewaltlosigkeit, fragt Ronen Steinke in der SZ vom 02.12.2022. Nicht jeder Einsatz von „Gewalt“, ist schon Nötigung. Es ist mehr notwendig. Das Gericht muss auch eine Verwerflichkeit erkennen und bewerten. Doch es ist mitnichten verwerflich, wenn Klebeaktivisten auf eine wissenschaftlich belegte hoch dringliche Situation beim Klima hinweisen. Zumal die Politik objektiv zu wenig tut, wie das Bundesverfassungsgericht kürzlich deutlich gemacht hat.
Verglichen mit dem Menschheitsproblem „Klimawandel“ ist eine kurzfristige Störung des Straßenverkehrs bedeutungslos. So argumentieren Richter in Berlin, in Freiburg und Flensburg. Die Mehrheit der Richter entscheidet jedoch anders, dass nämlich die individuellen Autofahrer nichts dafür könnten, denn die Forderung der „Letzten Generation“ richte sich an die Regierenden. Die „Letzte Generation“ fordert nämlich das Neun-Euro-Ticket wieder einzuführen und ein Tempolimit von 100 km. Das sind keine außerordentliche Forderungen. Autofahrer würden als Geisel genommen, so Richter. Ein spannender Rechtsstreit, der noch lange nicht ausgestanden ist und sicher höchstrichterlich entschieden wird.
Aber es gibt noch einen weiteren möglichen Straftatbestand, der die Gerichtsinstanzen beschäftigt. „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ (§113 StGB). Frage: Ist es Gewalt sich festzukleben, um sich nicht davontragen zu lassen, zumal die Aktivisten noch besonders höflich sind? Ja, sagen Gerichte in NRW und sprechen ein Machtwort. Es sei nämlich eine „Kraftäußerung“, die „gegen die Person des Vollstrackungsbeamten gerichtet sei“. Einig ist man sich in der Richterschaft aber nicht. Der spannende Weg hinauf zum Bundesverfassungsgericht wird gerade erst beschritten. Wir werden sehen.
























