Ob in Waggum oder Kalifornien: Zweifel an der Klima-Kompensation

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Eine der "Ausgleichsflächen" für den Querumer Forst ist dieser tote Wald in Bevenrode.

Klimakompensation ist ein Instrument zum Klimaschutz, welches dazu dienen soll entstehende Treibhausgas-Emissionen auszugleichen, so Industrie, Behörden und auch Naturschutzorganisationen. Der Ausgleich soll über Einsparungen von Treibhausgasen an anderer Stelle oder durch Speicherung von CO2 in Kohlenstoffsenken durchgeführt werden. Gesetzlich ist das alles geregelt.

„Ausgleichsfläche“ im Hintergrund. Im Vordergrund ein Weizenfeld.

Seit vielen Jahren wird Klimakompensation betrieben – alle sind`s zufrieden. Sehen wir doch mal genauer hin, denn wenn ein Wald verschwindet, ein Park, eine Allee oder auch wertvoller Ackerboden oder was sonst noch einen ökologischen Wert hat, dann ist es wichtig, dass die Kompensationsmaßnahme ordnungsgemäß durchgeführt wird und tatsächlich auch nachhaltig wirkt. In der Regel wird die Wirkung der Ausgleichsmaßnahme nicht gemessen. Wissen wir zum Beispiel, ob die Kompensationsanpflanzungen, die für das Zerstören des Querumer Forstes in Waggum für die Verlängerung der Landebahn des Flughafens Braunschweig/Wolfsburg gewirkt haben? Ja, das wissen wir. Die gepflanzten Bäume sind schlicht vertrocknet. Zwar wurden sie wieder aufgepflanzt und nun soll auch bewässert werden, doch kompensiert wurde bisher gar nichts. Geschweige denn der Verlust an Biodiversität. Der zerstörte Wald und sein Boden ist, so zeigt es sich heute, das Sinnbild für klima-ökologische Desaster einer geplanten Verantwortungslosigkeit.

Die Umwelt-Ethik lehrt uns nach dem WARUM zu fragen. Warum kommt es also in diesem Fall zu einem „klima-ökologischen Desaster mit einer geplanten Verantwortungslosigkeit“? Versuchen wir eine Antwort: Weil Biodiversität und Klimawandel die Verantwortlichen nicht wirklich interessieren. Es interessiert die Landebahn des Flughafens und nicht wirklich das begleitende Zerstörungswerk an der Natur. Das Materielle, das Tote ist von Interesse und nicht das Lebendige. Corona wird dieses denken zurechtrücken.

In der Stadt Braunschweig sind die maßgeblichen Personen weiter „versteinert“, denn die Innenstadt ist fast Grün-frei und in Beton/Naturstein belegt. Und nun soll auch noch der Grünbereich des Hagenmarktes dran glauben. Die Lern-Verweigerungshaltung der kommunalen Entscheidungsträger und Stadtplaner ist kaum noch zu überbieten.

Die Kompensation von Zerstörungsmaßnahmen am ökologischen Gefüge ist im Grunde ein „Ablass“. Der Markt soll es regeln über den CO2-Zertifikatehandel. Die Marktgläubigkeit ist grenzenlos, daher weiß man längst, dass der Markt die Ressourcen des Lebens und des Überlebens nicht regeln kann. Schon gar nicht langfristig. Weder kommunal wie in Braunschweig noch global.

Besonders deutlich wird das an dem hier verlinkten Artikel: „Co2-Speicher löst sich in Luft auf„. In den USA brennt derzeit der Wald, der als Kompensation von Firmen für deren CO2-Ausstoss angepflanzt wurde. Grundsätzlich scheint mit Wald-Kompensation das Klimaproblem nicht lösbar. „Selbst wenn man jetzt versprechen würde, die Puffer für mehr als 100 Jahre bereitzuhalten, ist es fraglich, ob das überhaupt realistisch ist“, meint Carbon Market Watch. „Der politische, wirtschaftliche und soziale Kontext ändert sich in so einer Zeitspanne – man kann nicht wissen, ob solche Versprechen in der fernen Zukunft eingehalten werden können.“

3 Kommentare

  1. Dazu kommt noch, dass die Stadt zwar vorsorglich Kompensationsflächen bereit hält, diese aber irgendwie genutzt werden, z. B. durch Verpachtung (oder die Flächen sind einfach wild bewachsen, was ohnehin für die Natur das Beste ist). Damit sind die Flächen bereits ökologisch sinnvoll genutzt. Im Bedarfsfall würden diese Nutzungen gestoppt und zerstört (was einen weiteren ökologischen Schaden darstellt), um dann irgendeine andere vorgeblich ökologische Nutzung künstlich darauf anzulegen.
    Schlechtes Beispiel:
    der Westpark, als Kompensation für den zerstörten Schlosspark, auf dem jetzt das Borek/Hoffmann-Kaufschloss steht. War vorher auch schon grün.
    Noch schlechtes Beispiel:
    Als Kompensation für die Autobahn nach WF wurde der Radweg am Südsee „entsiegelt“, d. h., die Asphaltdecke wurde entfernt und durch eine wassergebundene Decke ersetzt (die den Boden allerdings weiterhin versiegelt, weil auch nicht wasserdurchlässig). Ca. 20 Jahre später wurde derselbe Weg als „Kompensationsmaßnahme“ asphaltiert, zur Förderung des Radverkehrs. Mal sehen, für welche „Kompensation“ der Asphalt als nächstes wieder entfernt wird…

    Echte Kompensation wäre, ein ökologisch und klimatisch negativ genutztes Objekt abzureißen und darauf stattdessen Grün, einen Park oder besser einen Wald anzulegen. Dafür wären zum Beispiel gut geeignet: das o. g. Kaufschloss, die A2, die A39 …, der BraWo-Park, große Autoparkplätze, Edeka an der Hamburger Straße usw.

  2. Aktuell warnen Umweltgruppen, so Robin Wood, vor staatlich auch noch subventionierten Fehlentwicklungen durch Energie-Erzeugung aus frisch geschlagenem Holz:
    https://www.robinwood.de/blog/stoppt-den-wechsel-von-kohle-zu-biomasse

    „Die Gruppen warnen, dass Subventionen für die Umrüstung von Kohle- auf Holzverbrennung eine ernste, neue Bedrohung für die Wälder im Südosten der USA und im Baltikum darstellen, wo Pelletproduzenten routinemäßig ihr Holz aus dem Kahlschlag von hoch-biodiversen und kohlenstoff-reichen natürlichen Wäldern beziehen.

    Sie weisen darauf hin, dass Dänemark, die Niederlande und Großbritannien -Länder in denen Kohlekraftwerke auf Biomasse umgestellt wurden – jedes Jahr viele Millionen Tonnen Pellets aus diesen Regionen importieren.

    Führende Wissenschaftler*innen, wie der Wissenschaftsbeirats der Europäischen Akademien (EASAC), haben gewarnt dass das Ersetzen von Fossilen Brennstoffen durch Holzverbrennung atmosphärische Kohlendioxid Konzentrationen erhöht und damit Anstrengungen, den Klimawandel einzudämmen, zurücksetzt.

    ENVIVA, der größte Pelletproduzent der Welt, hat wiederholt öffentlich verkündet, dass sie Deutschland als ihren nächsten großen Markt ansehen, falls staatliche Subventionen zu Verfügung gestellt würden.“

    Die BIBS-Fraktion richtet dazu eine Anfrage im nächsten Finanzausschuss an die Verwaltung und BS-Energie:

    Klimaneutralität durch CO2-Kompensation von geplanter Biomasse-Verbrennung im Heizkraftwerk Mitte?

    „In den Antragsunterlagen für das neue Biomasse Heizkraftwerk beruft sich BS-Energy auf den Kohlenstoffkreislauf der Natur: „Da das CO2 über den Kohlenstoffkreislauf der Biosphäre wieder zu Biomasse umgewandelt wird, handelt es sich bei dem Biomasse-HKW im Sinne des Klimaschutzes um eine klimaneutrale Energieerzeugungsanlage.“ (Seite 7 der Antragsunterlagen an das GAA)

    Dazu ist zu fragen:

    Welche Wald-, Baum-, und sonstigen Ersatzmaßnahmen in Braunschweig, der Region oder sonstwo durch die Braunschweiger Versorgungs AG (BS-Energy) zur Stärkung der Biosphäre und Aktivierung des Kohlenstoffkreislaufs sind geplant und sind umgesetzt worden oder werden umgesetzt?“

    Siehe Artikel zur akuten und massiven Schwächung des Kohlenstoffkreislaufs vor allem auch in Braunschweig „Ob in Waggum oder Kalifornien: Zweifel an der Klima-Kompensation“ (https://braunschweig-spiegel.de/ob-in-waggum-oder-kalifornien-die-luege-von-der-klima-kompensation/)

  3. Hinweis der Redaktion zu Kommentaren: Die Kommentare von „anerkannter Troll“ wurden gelöscht. Seine umfassenden Kommentare sollten nicht als Kommentar erscheinen und damit den Klarnamen umgehen. Mindestens die Redaktion sollte den Klarnamen kennen. Dann könnten seine Kommentare auch als Beiträge erscheinen. Der/Die SchreiberIn wurde in dieser Sache vor einigen Wochen auf Umwegen informiert, denn die e mail Adresse ist verdeckt.

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