Filmfest BS: Wir haben einen Star, der Rest ist egal

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Nina Hoss ist die Preisträgerin der mit 15.000 € dotierten „Europa“ des 31. Internationalen Filmfestivals Braunschweig. Foto: web.de/honorarfrei

Nina Hoss, das früher gern entblösst agierende „Mädchen Rosemarie“, ist Braunschweigs neue Preisträgerin für den Heinrich, den Löwen, die Lola, die „Europa“, das „BIFF“, den „Beyond“ oder das „Heimspiel“. Irgendwas davon jedenfalls. Da herrscht Unübersicht.

Zahlreiche Journalisten interessierten sich für das Braunschweiger Filmfest. Die Regie spendierte ihnen Butterkuchenstückchen, Kaffee und belanglose Filmhäppchen. Foto: Klaus Knodt

Kaum Einer blickt noch bei den Preisen durch, die das „Braunschweig International Film Festival“ so verteilt. Direktor Michael Aust kann das überhobene Programm nur brav abarbeiten und muss immer ablesen: Es gibt einen Schwerpunkt neue Western. Es gibt einen Schwerpunkt „Heimspiel“ (Filme aus der Region von Menschen aus der Region). Es gibt einen neuen „Sanddorn“-Krimi und die alten als Pay-per-View. Es gibt ein Hochschulprogramm, ein Schwulen-, Lesben- und Transgenderprogramm, Workshops, Kooperationen mit dem Fotomuseum, 4 Konzerte. Schwerpunkte zum „Neuen deutschen Film“ aus den 90’ern, das Mitternachtsthema „Hexen“ als Schwerpunkt, Vermittlungsprojekte zu Irgendwas, ein Kindergartenkino mit Alters-App, einen Schwerpunkt „Musik und Film“ und noch, so als Schwerpunkt, „green horizons“…

Ganz schön schwer. Einzig Martin Weller (Orchesterdirektor des Staatstheaters Braunschweig) bringt in diese Beliebigkeit Struktur. Mit dem Filmkonzert „Matrix Live, Film in Concert“ startet das Filmfest in diesem Jahr am 17. Oktober in der Stadthalle unter dem Dirigat des Komponisten Don Davis. Weller: „Ich überlasse ihm gern mein Orchester. Die Unterschiedlichkeit zwischen Menschen und Maschinen wird immer schwieriger. Diese Entwicklung müssen wir im Hinblick auf Individualität und Abgegrenztheit im Auge behalten.“ Bläsersätze müssen für „Matrix“ doppelt besetzt werden, weil sie synchroner, lauter und schneller werden sollen. Alles für den Film?

Staatstheater-Orchesterdirektor Martin Weller (links) und Festival-Direktor Michael Aust arbeiten beim Filmfest „BIFF“ zusammen. Foto: Klaus Knodt

P.P. Pasolini und der grausame Melville wurden immer leise, wenn ihre Bilder laut wurden. Kein Cineast vergisst die Worte „Porte de Clignancourt“. Und Fellinis „La Strada“ kam minutenlang mit dem Hintergrundgeschweige…

264 Filme, davon 100 in Volllänge. 51 Deutschland-, 6 Weltpremieren. Das ist für 6 Tage „Braunschweig International Film Festival“ schon sehr ambitioniert. Die Ausschnittchen, die in der Preview dargeboten wurden, offenbarten oft mehr schöne Werbeästhetik als Inhalt. Die Wucht der anbrandenden Bilder und die political correctness scheint die Vorauswahl zensiert zu haben: „Taxi Driver“ oder „Eraserhead“ hätten vor dem gestrengen Auge der Braunschweiger Auswahl-Jury wohl kaum Chancen gehabt. Dafür gibt es beliebiges Allerlei aus aller Welt, das Niemanden anfasst. Liebe düster blickende Hirten mit Kalaschnikows und dreimal ge-take-te braune Kullerkinderaugen. Gören in Gullis. Unoriginell, zynisch, zum Kotzen. Voyeur-Kino in HD.

Freuen sich auf eine erfolgreiche Filmwoche (v.l.): Festival-Direktor Michael Aust, Angela Kleinhans (VW Financial Service), Martin Weller. Foto: Klaus Knodt

Da wird wie in eine große Mülltonne zusammengepackt, was andere Festivals noch nicht gezeigt haben. Als Maxime steht darüber: So langweilig, dass das Abaton den Streifen nicht haben wollte; aber immer noch besser hier als in Uelzen. Es fehlt der rote Faden. Aber den sucht Festivaldirektor Aust ja auch gar nicht. „Wir wollten Nina rankriegen. Wir haben uns echt an der abgearbeitet,“ offenbart er sein größtes Problem. Weller brüllt vor Lachen. Aust weiß nicht mal, warum.

„Hast Du schon einmal etwas so schön zusammenkrachen sehen?“, fragt Anthony Quinn in der letzten Szene von „Alexis Sorbas“. Die Verantwortlichen des „BIFF“ sollten sich den Film mal angucken. Kino bildet!

VW Financial Service und ein paar kleinere Firmen lassen sich das Spektakel in diesem Jahr noch 550.000 € kosten. Das ganze Programm gibt’s unter www.filmfest-braunschweig.de.

2 Kommentare

  1. Dieser kritische Kommentar zum diesjährigen Filmfestprogramm war dringend fällig. Durch die vielen grünen, queeren und sonstwie Reihen und Extras (u.a. auch noch Kinderwagenkino) blickt man kaum noch durch. Die Angebote werden immer zielgruppenspezifischer – gibt es dazwischen eigentlich noch eine allgemeinverbindende Basis? Das Gespräch zwischen Herrn Aust und der jungen Journalistin von Radio ffn war abgekartet, humorfrei, uninspiriert (oft genannte Adjektive: interessant, spannend – gähn!) und ergo langweilig. Die 5 vorderen Reihen des Kinos gähnend leer. Von den gezeigten Trailern hat mir kein einziger Lust auf einen Film gemacht. (Inzwischen habe ich allerdings im Katalog 11 Filme gefunden, die mich interessieren.) Dass die „Europa“ an Nina Hoss geht, ist mir unverständlich. Ich finde sie keine gute Schauspielerin, ihre viel beschworene geheimnisvolle Art empfinde ich als mangelnde Wandlungsfähigkeit. Den bisherigen PresiträgerInnen kann sie jedenfalls nicht das Wasser reichen; diese waren auch alle älter und hatten schon ein Lebenswerk vorzuweisen. Dazu führt Hoss‘ Filmografie fast ausschließlich deutsche Regisseure auf – wofür dann die „Europa“? Und schlussendlich: Die Verlegung des Filmfestes in den Oktober gefällt mir auch nicht – Wie soll ich denn jetzt durch den trüben November kommen?

  2. Nach Abschluss des Filmfestes möchte ich hinzufügen: Ich habe 7 Filme gesehen, von denen mir 6 sehr gut gefallen haben – vielen herzlichen Dank, liebes Filmfestteam! 2 aus der „queeren“ Reihe hätten mich auch interessiert, passten aber leider zeitlich nicht. Ich freue mich, dass es nächstes Jahr wieder im November stattfindet!

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