Denn sie reden nur und handeln nicht

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„Demo gegen rechts“: Wo sind die Braunschweiger/-innen gegen Rassismus und Nationalismus und für eine wehrhafte Demokratie. Und wo ist die glaubwürdige Politik gegen die AfD – alles nur Worte, auch in Braunschweig? Es macht nur noch traurig.

Drei Tage nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle und den zwei ermordeten Bürgern der Stadt, kamen am Samstag auf dem Kohlmarkt knapp tausend Menschen zusammen, um ihre Solidarität zu bekunden und gegen Antisemitismus, Fremdenhass, gegen rechte Hetze und Gewalt zu demonstrieren.

Die Braunschweiger Synagoge war das Ziel des Demonstrationszuges.

Sebastian Wertmüller, Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Region Süd-Ost-Niedersachsen Braunschweig, der für das „Bündnis gegen rechts“ aufgerufen hatte, bezeichnet es als „Skandal“, dass jüdische Kultur in Deutschland nicht ohne Polizeischutz stattfinden könne. Er ging auf die Flüchtlingskrise ein und betonte: „Die Gefahr lauert nicht hinter den Grenzen, sondern in unseren Parlamenten“. Beifall auf dem Kohlmarkt. Wertmüller rief dazu auf, sich an den Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag zu beteiligen, der Ende November in Braunschweig tagen wird.

Herr Pantazis, der SPD-Chef Braunschweigs, ergriff während der Kundgebung das Wort und verurteilte auch den Anschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle. Er sprach von der Gesellschaft, die mithelfen müsse gegen den Rechtsradikalismus. Und dass es an uns allen liege, ob wir den Verfassungsfeinden eine Bühne geben oder nicht. (Zur Bühne später mehr)

Nach der Kundgebung gingen die Teilnehmer gemeinsam zur Synagoge in der Steinstraße und legten am Portal Blumen nieder.

Renate Wagner-Redding, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinschaft in Braunschweig, dankte: „Das tut gut“, sagt sie und war sichtlich gerührt. Es war Sabbat, der jüdische Ruhetag. Darum hielt sie keine Ansprache. Sie wolle den Braunschweigern aber Dank sagen.

Kommentar

Was ist los in dieser Stadt? Die Betroffenheit der Braunschweiger/-innen hält sich in Grenzen. Ein mit viel Glück glimpflich ausgegangener Angriff auf eine voll besetzte Synagoge durch einen Rechtsradikalen und zwei getötete Bürger durch dieselbe Person, hat wohl nicht die Wichtigkeit wie Schoppen und Schnäppchenjagd am Samstag. Zeichen der Solidarität, gegen Nationalismus, gegen Rassismus und für unseren demokratischen Rechtsstaat, haben kaum Priorität.

Liegt es vielleicht an den Ritualen? Kommt es zu schlimmsten politisch motivierten Verbrechen am politisch rechten Rand, ist die Betroffenheit der verantwortlichen Politiker seit Jahren groß.

Man sieht: Präsident, Kanzlerin, Abgeordnete, Behörden.

Man hört: Nie wieder, rückhaltlose Aufklärung, keine Handbreit den Extremisten.

Es gibt: Kundgebung, Kerzenschein und Blumen.

Man erlebt: Hilflosigkeit

Dann geht’s wieder an´s gewohnte Geschäft. Bis zum nächsten mal. Ritualisierte Betroffenheit, so scheint es.

Es wird ja kaum ausgesprochen, aber das größte Problem scheint zu sein, dass Deutschland ein Problem damit hat, wenn unsere jüdischen Mitbürger/-innen wieder von Nazis angegriffen werden. Wir wollen schließlich gut dastehen in der Welt. So etwas wie vor 80 Jahren darf einfach nicht noch mal vorkommen. Trotz aller glaubwürdigen Betroffenheit, dieser Gedanke des Ansehens in der Welt, schwingt immer mit.

Die Rufe in den Parteien, die AfD beobachten zu lassen, werden lauter. Die Parteien erhoffen sich dadurch auch einen Vorteil gegenüber der AfD; es ist keine Sorge um unsere Demokratie. „Keine Handbreit der AfD“ wird derzeit von den Parteien gesagt. Deren Politik sieht aber völlig anders aus, sonst hätte die Politik seit vielen Jahren, insbesondere in der GroKo, für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft gesorgt.

Es geht aber noch schlichter und einfacher: Wenn die Betroffenheitsbekundungen für ernst genommen werden sollen, dann sollte die Stadt der AfD in Braunschweig keine Bühne bieten – nämlich die Volkswagenhalle – für ihren Bundesparteitag. Von den AfD-„Gästen“ in unserer Stadt gehen schlimme Signale aus. Sie schaden unserer Stadt und der politischen Glaubwürdigkeit in unserem Gemeinwesen ohnehin.

4 Kommentare

  1. Jetzt kommen die Grünen in Braunschweig um die Ecke mit dem Argument, sie und vor allem auch der Oberbürgermeister könnten gar nichts mehr gegen den Mietvertrag machen, sie seien gar nicht zuständig …

    Ja, liebe Grüne, zuständig bei einer GmbH ist der Geschäftsführer, der hat den Mietvertrag ja auch mit der AFD gemacht – aber, er hat vorher (im Februar 2019) das Einvernehmen mit Markurth hergestellt !
    Und warum hat er das gemacht? Er wollte die Rückversicherung bei der Stadt (die ja 100%, also alleiniger Gesellschafter der StadthallenBetriebsgesellschaft mbH ist), dass die Stadt diese Entscheidung für den Vertrag mitträgt!

    Aber das geht natürlich genauso auch umgekehrt:
    Und genauso würde ein Fingerzeig von eben diesem Oberbürgermeister ausreichen, damit der Geschäftsführer eine Rückendeckung der Stadt für eine Vertragskündigung aus besonderem Grunde (Ansehen der Stadt … Sicherheitslage am ersten Weihnachtsmarkt-Wochenende …) erhält.

    Nein, Ihr wollt Euch einen schlanken Fuß machen, Ihr sucht krampfhaft Gründe herbei, weil Ihr Euch nicht traut. Noch wäre der Vertrag OHNE JEGLICHEN MATERIELLEN SCHADEN für die Stadt – aus den auf der Hand liegenden Gründen – zu kündigen – Ihr Hasenfüße …

  2. und am Samstag waren die Verantwortlichen aus Rat und Verwaltung wohl allesamt verhindert – jedenfalls nicht auf der Kundgebung.

    Es fehlten: OB Markurth (SPD), sein 1. Stadtrat Geiger (CDU), die Bürgermeiter*innen Ihbe (SPD), Kaphammel (CDU) und Helmut BlöckerGrüne) – es fehlten auch die Aufsichtsratsvorsitzenden Wendroth (CDU) und Bratmann (SPD), sowie fast alle anderen Aufsichtsratsmitglieder, die zur Vermietung an die AFD sich hätten äußern können.
    Der Geschäftsführer Lemke der Stadthallen-Betriebsgesellschaft mbH war auch nicht da.

    Konnten sie alle nicht oder machten sie sich allesamt einen schlanken Fuß, weil sie wegen des zu verantwortenden Mietvertrages und der Bühne für die AFD unangenehmen Fragen ausweichen wollten ?

  3. Die Stadt möchte sich aus der Verantwortung schleichen …

    Jetzt macht auch die Braunschweiger Zeitung noch einmal Dampf und grillt die Verwaltungsspitze, warum sie nicht für eine Kündigung des AFD-Mietvertrages sorgt – zumal die Petition gerade noch einmal an Fahrt aufnimmt: bereits 18.650 !

    Mit denen auf Papier also bereits über 19.000!

    Übrigens: Stimmt so nicht, was die Verwaltungsspitze suggerieren möchte!

    Natürlich ist an einem privatrechtlich geschlossenen Vertrag zu rütteln.
    Und außerdem ist es eine GmbH, in welcher nur der Geschäftführer das operative Geschäft führt und nicht die Stadt. Die Petition hat in den paar Minuten schon die Marke 18.650 erreicht 🙂

    https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article227385435/Stadt-Braunschweig-Am-Mietvertrag-mit-AfD-ist-nicht-zu-ruetteln.html

  4. Die Petition gegen die Vermietung der Volkswagen-Halle an die AFD bzw. für die Kündigung geht eben gerade um 21:05 mit 19.015 auf die Zielgeraden – morgen sind die 20 Tsd. geschafft.

    Aber der Druck auf die Verantwortlichen und Drückeberger in den Parteien CDU, SPD, Grüne, Linke und FDP muss wohl noch etwas gesteigert werden, um sie von Ihrer Hasenfüßigkeit gegenüber der AFD zu befreien 😉

    Hier deshalb noch einmal die Petition..
    https://weact.campact.de/petitions/kein-afd-bundesparteitag-in-braunschweig-2?bucket=promote-from-stoppt-den-export-von-plastikmull&source=facebook-share-email-button&time=1569589806&utm_campaign&utm_medium=recommendation&utm_source=rec-fb

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