Banner zur Erinnerung an Rieseberg-Opfer eingeweiht

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Update 18.6.21: Einige Ergänzungen eingefügt. (hgd)

Heute Nachmittag hat die BIBS symbolisch ein großes Banner zur Erinnerung an die elf Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten, eingeweiht, die von den Nazis verhaftet, im AOK-Gebäude gefoltert und schließlich am 4. Juli 1933 in Rieseberg ermordet wurden. Es war der Beginn des offenen Terrors der Nazis gegen die Arbeiterbewegung in Braunschweig. Eine etwas ausführlichere Darstellung der historischen Ereignisse können sie unserem Beitrag „80 Jahre Rieseberg-Morde sind auch eine Mahnung“ entnehmen.

Rund 35 Interessierte waren – trotz sommerlicher Hitze – zur Einweihung gekommen, darunter auch viele Gewerkschafter:innen wie z.B. auch Eva Stassek, 1. Bevollmächtigte der IGM Braunschweig.

Das Besondere an diesem Gedenkort: Das Banner befindet sich genau an der Stelle (Eichtalstr. Ecke Gartenkamp), wo der Naziterror 1933 in Braunschweig begonnen hatte: in dem Arbeiterviertel Eichtal. Nachdem von den eigenen Leuten versehentlich ein SS-Mann erschossen wurde, führte die SS im Viertel eine Razzia durch und nahm 11 Arbeiter und Gewerkschaftler fest, denen die Tötung des SS-Mannes vorgeworfen wurde. Sie wurden ins AOK-Gebäude gebracht, dort gefoltert und später in Rieseberg ermordet.

Der Text des Banners:

„Hier begann am 29. Juni 1933 durch die Nazis die systematische Verfolgung politischer Gegner im Eichtal-Arbeiterviertel. Elf Gewerkschaftler wurden in das AOK-Gebäude verschleppt, dort gefoltert und am 4. Juli 1933 in Rieseberg ermordet“.

Und weiter heißt es:

„ZUR MAHNUNG AN DIE LEBENDEN, DEN NEUEN NAZIS RECHTZEITIG ENTGEGENZUTRETEN“

Uwe Fritsch, bis vor Kurzem Betriebsratsvorsitzender von VW in Braunschweig und jetzt Spitzenkandidat der BIBS für die Kommunalwahl griff den Text des Banners auf und betonte die Formulierung „rechtzeitig entgegentreten“. Er ging darauf ein, dass auch einige Stolpersteine für in Rieseberg ermordete Gewerkschafter in unmittelbarer Nähe des Hauses liegen, an dessen Giebel jetzt das Banner angebracht wurde.

Im Rahmen eines Erläuterungstextes, der neben dem Haus angebracht ist, werden die Namen von 10 der 11 Ermordeten genannt. BIBS-Ratsherr Peter Rosenbaum verlas die Namen: Hermann Behme, Julius Bley, Hans Grimminger, Kurt Heinemann, Reinhold Liesegang, Wilhelm Ludwig, Walter Römling, Gustav Schmidt, Alfred Staats, Willi Steinfaß.

Die Mahnung hat ebenfalls einen sehr konkreten Hintergrund: auf das Antifa-Cafe, das im Nachbargebäude untergebracht ist, wurde kürzlich ein Brandanschlag – sehr wahrscheinlich von rechtsradikalen Kräften – verübt. Die Rauchspuren neben der Eingangstür sind noch gut sichtbar. Siehe dazu auch unseren Beitrag hier. Rosenbaum berichtete weiterhin über häufig stattfindende Telefon-Belästigungen und Drohungen, die von der Polizei kaum unterbunden werden.

Peter Rosenbaum und Uwe Fritsch, die Erläuterungen zu dem Banner gaben und auf historische Zusammenhänge hinwiesen. Im Hintergrund: Das Antifa-Cafe, auf das kürzlich ein Brandanschlag verübt wurde. Fotos: Hans-Georg Dempewolf

Rosenbaum wies noch darauf hin, wie wichtig es sei, das Gedenken an den Ort des Geschehens zu bringen. Dadurch gewinnen die Erinnerungen eine zusätzliche Eindringlichkeit und werden präsenter. Auch die Bewohner der umliegenden Häuser seien sich der Bedeutung des Ortes bewusst und fühlten sich mit der Geschichte verbunden. Die Geschichte lehre uns, den heutigen Nazis rechtzeitig zu widerstehen. Deshalb – so die Forderung der BIBS – sollte auch dieser Ort mit in das offizielle Gedenkprogramm der Stadt Braunschweig an die Rieseberg-Opfer aufgenommen werden. Mit der Einweihung des Banners habe die BIBS dafür einen ersten Anfang gemacht. Uwe Fritsch wird der IGM den Vorschlag machen, sich an diesem Ort regelmäßig an Gedenkfeiern zu beteiligen.

1 Kommentar

  1. Vielen Dank für den umfassenden und hintergründigen Artikel.

    Wichtig war auch, den Opfern aus der Mitte der Braunschweiger Gesellschaft durch Verlesung ihre Namen zurückzugeben:

    Die Opfer
    Gedenkstein auf dem Pappelhof

    – Hermann Behme (* 11. November 1884 in der Nähe von Klein Mahner), Dreher, Mitglied des Spartakusbundes und der KPD. Angestellter bei der Braunschweiger Firma MIAG, dort Betriebsratsvorsitzender
    – Julius Bley (* 11. Januar 1890, Köln), Chemigraf und KPD-Mitglied
    – Hans Grimminger (* 26. Juli 1899 in Braunschweig), Schlosser bei der MIAG, KPD-Mitglied
    – Kurt Heinemann (* 16. Dezember 1906 in Echternach), Schneider in Schöningen, KPD-Mitglied und Jude
    – Reinhold Liesegang (* 6. Juni 1900 in Güsten), Schweißer bei Voigtländer, Gewerkschafts- und KPD-Mitglied
    – Wilhelm Ludwig (* 28. August 1888 in Braunschweig), Arbeiter bei der Reichsbahn und KPD-Mitglied
    – Walter Römling (* 12. Oktober 1890 in Braunschweig), Hilfsarbeiter bei der MIAG (dort im Betriebsrat), nacheinander Mitglied der SPD, des Spartakusbundes und der KPD
    – Gustav Schmidt (* 9. Oktober 1908 in Holzwickede), Lehramtsstudent an der Technischen Hochschule Braunschweig und Mitbegründer der dortigen Sozialistischen Studentengruppe.
    – Alfred Staats (* 20. November 1912 in Braunschweig), Angestellter und KPD-Mitglied
    – Willi Steinfass (* 13. Mai 1892 in Braunschweig), ungelernter Arbeiter bei der MIAG, KPD-Mitglied

    Als die Leichen der Ermordeten 1953 exhumiert wurden, fand man einen elften Toten, der bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war und dessen Identität bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist. Es wird vermutet, es handelt sich um

    – Kurt Hirsch (* ?), Student.[2]

    Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Rieseberg-Morde

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