Frieden in der Friedensbewegung?

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Der bundesweit bekannte Friedensaktivist Reiner Braun hielt in diesem Jahr auf dem Braunschweiger Kohlmarkt seine Friedensrede zum Abschluss der Veranstaltung.

Die Friedensrede von Reiner Braun

War der Ostermarsch in Braunschweig erfolgreich? Ja und nein! Legt man die Teilnehmerzahl zugrunde und vergleicht die mit den Jahren zuvor, war er mit etwa 250 Marschierern sehr gut besucht. Legt man dagegen den Ukrainekrieg und die Bedrohung durch diesen Krieg zugrunde, war die Beteiligung eher enttäuschend. Bei der Beurteilung dieses Ostermarsches 2023 ist zu bemerken, dass die Linke und viele andere, die sich dem linken Spektrum zugeordnet fühlen, zum Beispiel viele Gewerkschafter, fehlten.

Auch wenn der Ukrainekrieg im Mittelpunkt des Ostermarsches stand; es ging um alle Kriege auf der Welt. So auch um den inneren Krieg im Iran. Beim Ostermarsch waren die IranerInnen hoch willkommen mit ihrem Kampf um Frieden und Freiheit im Iran. Vielleicht sollte zukünftig der internationale Charakter des Ostermarsches noch stärker betont werden.

Trotzdem, die kurze Begrüßungsrede von Elke-Almut Dieter vom Friedenszentrum Braunschweig ging nicht nur auf den Krieg in der Ukraine ein, indem sie einen Waffenstillstand forderte, sondern auch auf Ostermarschteilnehmer aus dem rechten politischen Spektrum. Deutlich distanzierte sie sich und die Ostermaschierer von den Rechten, die anscheinend die Ostermärsche unterwandern wollen. Die Ostermarschierer hätten nichts mit Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus zu tun. Frau Dieter forderte die Rechten auf, sich von den Ostermarschierern fernzuhalten, denn diese seien nicht „rechtsoffen“.

Pastor Böger von der Magnikirche begrüßte die Ostermarschierer auf dem Margni-Kirchplatz, die wie in jedem Jahr an dieser Kirche einen Halt einlegten. Unvergessen in positiver Erinnerung ist die Öffnung seiner Kirche für eine Friedensveranstaltung im vergangenen Jahr mit General a.D Erich Vad, Martin Burghartz und Sevim Dagdelen.

Natürlich war Musik dabei. Corinna Senftleben und Matthias Wesche sangen zur Gitarre Friedens- und Antikriegslieder.

Alte Ostermarschaktivisten unter sich.

Gibt es Unfrieden in der Friedensbewegung?

Ja! Worin äußert er sich? Indem viele Linke und Gewerkschafter an den Friedensdemos nicht mehr teilnehmen, weil sich in der Bewegung anscheinend Rechte und Querfrontler tummeln, die die Friedensbewegung nutzen, um ihre rechten politischen Süppchen zu kochen. Ich befragte einige bekannte Linke, die am Rand der Kundgebung standen. Nein sagten die, da gehen wir nicht mit, solange darin Rechte mitlaufen. Das erinnerte an die Auseinandersetzung im Gewerkschaftshaus. Während der Demo sagte ich zu einem mir bekannten Medienmacher, dass Rechte mitlaufen. Er fragte wo, ich sehe keine. Gibt es Fahnen, Transparente, Beschriftungen oder Reden von Rechten? Als ich verneinte meinte er lakonisch. Na also, und warum sollen Rechte nicht mitlaufen, wenn sie Frieden wollen?

Die Friedensbewegung muss wohl auch in Zukunft mit zwei Problemen umgehen lernen. Die Standpunkte zum Ukrainekonflikt liegen unter den Friedensaktivisten teils weit auseinander. Strittig ist vor allem die Frage, wie viel Schuld Russland am Krieg trägt und wie viel der Westen, der durch seine Aktionen in der Ukraine den möglichen Frieden untergraben hat.

Das zweite Problem ist, dass sich die AfD mit ihrem federführenden Faschisten Höcke auch als „Friedenspartei“ darstellt und versteht. Die politischen Milieu-Übergänge zwischen links und rechts scheinen fließend geworden zu sein. Wo also die Grenze ziehen?

Nicht wenige stört auch, dass Querdenkergruppen wie die Partei Die Basis oder die Freien Linken bei den Märschen dabei sind. In Hamburg und Fulda zog der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) deshalb seine Unterstützung für den Ostermarsch zurück.

Das Problem scheint größer und grundlegender Art zu sein, denn eine Spaltung der Friedensbewegung steht an. Die TAZ berichtete in ihrer Oster-Wochenendausgabe schon in dem Leitartikel über dieses Problem der Spaltung aus Hamburg: „Kein Frieden in der Bewegung„. „Die Friedensbewegung ist vor den Ostermärschen gespalten: Wie klar muss man die russische Verantwortung für den Krieg benennen? Und wie soll man mit Querdenkern und Rechten umgehen?

Eine Initiative aus der Friedensbewegung soll nun Klarheit im Diskurs bringen. Es wurde ein Thesenpapier der Initiative „Frieden-links“ veröffentlicht, das Sie hier einsehen können: „Warum die Friedensbewegung nicht „rechtsoffen“ ist“https://frieden-links.de/2023/04/thesenpapier-friedensbewegung-rechtsoffen/.

Abschließend bekam Reiner Braun den Braunschweiger Friedenslöwe in Schokolade aus kolumbianischem Friedenskakao.

4 Kommentare

  1. Von Verschwörungstheorien und Sündenböcken

    Als Soziologe betrachtet man einen solchen Artikel mit einem leichten Verwundern: Was passiert dort eigentlich? Die Gewerkschaften und linke Parteien wenden sich von dem Osterspaziergang ab, weil diese angeblich „rechtsoffen“ seien und von Rechten oder Rechtsextremistin unterwandert seien. Doch ist das wirklich so?
    Als Beobachter ist mir in Braunschweig kein Aufruf von der AFD oder den stadtbekannten Rechtsidioten zu den Ostermärschen bekannt. Betrachtet man die Teilnehmer, so fällt auch auf, dass von der angeblich rechten Unterwanderung nichts zu sehen war. Die Aufforderung von Elke Almut Dieter lief somit ins Leere, da von den Angesprochenen niemand anwesend war. Die angebliche Unterwanderung der Ostermärsche enthält somit alle Merkmale einer Verschwörungstheorie: Rechte müssen sich verschworen haben, die Friedensbewegung zu unterwandern, in dem sie NICHT zu den Ostermärschen aufrufen und NICHT dort erscheinen und vermutlich sogar NICHT einmal davon mitbekommen haben.
    Diese Theorie ist so absurd, dass nicht einmal die Zivilgesellschaft, die Parteien und Gewerkschaften daran glauben, denn fest steht: Sollte es wirklich Bestrebungen von Rechten und Rechtsextremisten geben, die Friedensbewegung zu unterwandern, dann wäre ein Aufruf zur Teilnahme an den Ostermärschen von den Parteien und Gewerkschaften richtig, um diese Unterwanderung zu verhindern, anstatt dass man den Rechten die Bewegung überlässt.

    So hingegen hat man den perfekten Sündenbock: eine angebliche und geheime Unterwanderung von „Rechts“, die so geheim ist, dass niemand Belege dafür hat, welche eine Teilnahme an der Ostermärschen verunmöglicht.

    Vielleicht lenkt diese „Verschwörungstheorie“ jedoch perfekt von eigenen Problemen ab:
    Der DGB hat eine Vorsitzende, die in der SPD ist, also einer Partei, die sich FÜR Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen hat. Marschiert die gegen das Handeln ihrer eigenen Partei? Auch die Gewerkschaften und meisten Parteien haben sich im letzten Jahr nicht gerade sonderlich für Friedensverhandlungen ausgesprochen. Kann man überhaupt noch die grüne Parteifahne auf den Ostermärschen schwenken, während die von der Partei beschlossenen Panzerlieferungen in die Ukraine rollen? Könnte die FDP dort teilnehmen, während ihre Jugendorganisation parallel mit dem Slogan „Panzer senden, Krieg beenden!“ demonstriert? Wo ist der Aufschrei der Gewerkschaften und der SPD, dass die NATO abgereicherte Uranmunition in die Ukraine liefern möchte? Und können Gewerkschaften noch mit Menschen demonstrieren, deren Ausschluss aus der Gesellschaft sie mit viel Hetze während der Corona-Maßnahmen befürwortet haben?

    Man könnte noch viele weitere Fragen stellen, die Situation erlaubt jedoch zwei unterschiedliche Blickwinkel:
    a) Gewerkschaften und Parteien distanzieren sich von der Friedensbewegung, weil diese angeblich von Rechts unterlaufen sei oder unterlaufen werden könnte.
    b) Die Friedensbewegung emanzipiert sich von dem Einfluss von Parteien und Gewerkschaften, weil diese Positionen vertreten, welche einer Friedensbewegung diametral entgegen stehen.
    Beide Blickwinkel haben ihre Gültigkeit.

    Wir leben in seltsamen, aber auch spannenden Zeiten!
    Vielleicht ist es Zeit für Abrüstung auf allen Seiten!

  2. Ein Kommentar von jemand, der einen Eklat https://braunschweig-spiegel.de/eklat-im-gewerkschaftshaus/ ausgelöst hat, was ich für sehr wichtig halte. Reiner Braun sagte, die Friedensgegner gebrauchen Ausdrück wie: „Lumpenpazifisten, militaristische Bellizisten, Second-Hand Kriegsverbrecher, gewissenlose Manifestbetreiber, Betreiber der Geschäfte Putins. DAS „SIND“ WIR, obwohl wir das alles nicht sind, sondern nur ein einziges Ziel haben, und das heißt FRIEDEN.“ und : „Man macht das, indem man die Bewegungen von Anfang diskriminiert und diffamiert und mit Lügen überhäuft und mit Vorwürfen.“ Hört Euch die Rede oben im Link an. Die Spaltung ist beabsichtigt und gesteuert. Wir sollten nicht mitmachen…

    • Sehr geehrter Helmut Käss,

      nur zu Ihrer Beruhigung: Den Eklat hätte es auch ohne Ihre Anwesenheit bei der Veranstaltung gegeben. Bekanntlich waren auch mehrere Basis-Mitglieder direkt vor Ort, u.a. ein Gründungsmitglied, die Braunschweiger KV-Vorsitzende und auch die neue Parteivorsitzende Skadi Helmert. Wäre Sie nicht sitzen geblieben, so hätte sich der „Eklat“ nur zeitverzögert.
      Wenn man die im Artikel angesprochene „Abgrenzeritis“ ernst nimmt, dann darf man zukünftig wohl auch keine Veranstaltungen vom „Forum gegen Rechts“ mehr besuchen, weil diese von mit allen Menschen sprechenden Friedensaktivisten und von die Menschheitsfamilie liebenden Basistas besucht – bzw. neudeutsch: unterwandert – werden.

      Auf Twitter hab ich die Hetzjagd eines bekannten Aktivisten gegen Sie verfolgt, ähnliches hab ich auch schon erlebt, sowohl von Rechts als auch von Links. Funktioniert ähnlich wie Stasi-Zersetzungsmethoden, ein „Experte“ sammelt alle belastbaren Indizien, verkauft diese als Wahrheit, und am Ende geht es nicht mehr um Inhalte, sondern um die Person. Und zusätzlich dazu werden dann die politisch Aktiven via Mail oder Messager unter Druck gesetzt: „Herr XYZ ist jetzt rechts, wie kannst du mit ihm noch befreundet sein?“ Gruppendruck wirkt!
      Ein Beispiel aus der Praxis: Auf Ihrem Telegram-Profil haben Sie ein Video geteilt, das erklärt, warum wir in West-Deutschland rund 100 nicht demokratisch legitimierte britische und NATO-Militärbasen haben, von denen die meisten nichts wissen und auf deren Wirken wir keinerlei Einfluss haben, und die im Falle eines (Atom-)Kriegs mit Russland primäres Angriffsziel wären. Jeder halbwegs vernünftige Mensch müsste hier aufhorchen, stattdessen wird die Diskussion darüber unterdrückt, indem der Aktivist auf Twitter sagt: „Ein rechtsoffener Mensch hat dieses Video eines anrüchigen Verlages geteilt! Schande über ihn!“ Und das Video wird vom Aktivisten lediglich als Screenshot ohne Quellenangabe geteilt, sodass eine eigene Meinungsbildung über die geteilten Inhalte bewusst verunmöglicht wird, und anschließend lebt der Aktivist dann froh in seiner Filterblase, bis er faktisch darauf hingewiesen wird, dass er politisch korrekt und besten Unwissens & Gewissens den nächsten Atomkrieg o.ä. ermöglicht hat.

      In diesem Sinne: Vielen lieben Dank für Ihr Engagement & „Sitzenbleiben“!

      Mit freundlichen Grüßen
      ein Mensch von Vielen

      P.S.; noch eine seltsame Frage zum Schluss, auf die ich auch keine Antwort weiß:
      Persönlich halte ich Braunschweig für die vielleicht zweitschönste Stadt der Welt, aber realistisch betrachtet ist Braunschweig aktuell auch von weltpolitischen Entwicklungen und geostrategischen Machtspielen sehr, sehr weit entfernt und praktisch unbedeutend. Meine Frage ist daher: Wie schaffen wir es, trotz aller – teils bewusst herbeigeführten – Spaltungen in unserer Gesellschaft wieder eine Basis des Friedens in unserer Stadt zu finden?

  3. Zuerst: Chapeau! Bravo!
    Das ist doch wieder ein Ostermarsch, der den Namen verdient.
    Auch wenn der traurige Grund für wachsende Zahl der Teilnehmer die Eskalation in der Ukraine-Invasion liegt, der Furcht vor dem atomaren Ende.

    Aber ich glaube, man kann nicht von einer Spaltung reden. Man kann mit Waffenlieferungen keinen Frieden stiften, und die Bundeswehr ist keine Friedensbewegung, die Nato erst recht nicht.
    (Afghanistan? Irak-Krieg? Schon vergessen? – Oh, Pardon, das ist ja ‚Whataboutism‘, oder auf deutsch auch „WasNichNochAllesismus“ …)

    Bei der Frage ‚rechtsoffen?‘ wuerde ich auf die Presse [1] verweisen und die Berichterstattung zum Besuch der Asow-Botschafterin Katerina Prokopenkos.

    Die Friedensbewegung und ihre VertreterInnen wie Frau Dieter, Frau Käsman oder die zu früh verstorbene Antje Vollmer ist nicht ‚rechtsoffen‘, auch wenn es von sog. Leitmedien herbeigeschrieben werden will.

    1. Zitat:
    „In Berlin wurde Prokopenko von der Grünen-Politikern Marieluise Beck empfangen, nach eigenen Angaben auch von Lilia Usik, CDU-Mitglied des Landesparlaments, sowie mehreren Bundestagsabgeordneten….
    [Ehemann] Denis Prokopenko kommt aus der Nazihooliganszene von Dynamo Kiew. Bis er sich »Asow« anschloss und es 2017 im Alter von nur 26 Jahren zum Oberstleutnant und jüngsten Kommandeur der Einheit brachte, war er führender Kopf von »AlbatroSS« (sic!). Die relativ kleine Schlägergang ist mit dem berüchtigten »White Boys Club«, dessen Mitglieder mit Ku-Klux-Klan-Kapuzen, Hakenkreuzmasken und Hitler-Shirts auftreten, und der Gruppe »Roditschi« (Verwandte, englische Schreibweise Rodichi) vernetzt. Diese Banden sind für brutale rassistische Übergriffe berüchtigt …“
    https://www.jungewelt.de/artikel/448433.hofierte-neonazis-zu-gast-bei-freunden.html

    Zu den Gästen von Frau Beck noch ein Hinweis auf einen Artikel aus Österreich, der fast schon an unfreiwillige Komik grenzte … ginge es nicht um ernste Sachverhalte wie Krieg und Tod:
    „neue Generation … zwischen Techno und Thor“
    https://www.derstandard.de/story/2000137691405/unterwegs-mit-den-kaempfern-des-asow-regiments-in-der-ukraine

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