Von projektwerkstatt.de
Organisator*innen: "Corona-kompatible Meinungskundgabe ist möglich - und
nötig"
*
Seit Wochen ringen in vielen Städten Deutschland Behörden, Polizei und
politische Aktivist*innen um das Recht auf Meinungskundgabe. Immer
wieder sorgen Verbote und rabiate Polizeieinsätze selbst gegen
Einzelpersonen mit Meinungsäußerung auf einem Schild oder gegen
Versammlungen, bei denen größere Abstände eingehalten werden als
vorgeschrieben, für Aufregung. Dabei gäbe es viel zu kritisieren an
einer Coronaschutz-Politik, die große Teile der Menschen zwar wirksam
schützt, andere aber dafür im Stich lässt oder sogar in Gefahr bringt.
Um dafür zu sorgen, dass Meinungskundgabe nicht weiter unterdrückt wird,
hatten Gießener Gruppen eine Versammlung mit dem Motto "Gesundheit
stärken statt Grundrechte schwächen - Schutz vor Viren, nicht vor
Menschen" angemeldet. Sie sollte vom heutigen 14. bis zum 17.
Apriljeweils ab 14Uhr am Berliner Platzbeginnen. Erwartungsgemäß wurde
die Versammlung, für die die Anmelder*innen selbst umfangreiche
Schutzvorkehrungen überlegt und in der Anmeldung beschrieben hatten,
verboten. Auch das Verwaltungsgericht Gießen und der Hessische
Verwaltungsgerichtshof stellten sich hinter die Verbotsverfügung, die
die 3. Hessische Corona-Verordnung zur Grundlage wählte, zu der die
Landesregierung selbst inzwischen aber gegenüber Medien klarstellte,
dass diese keine Ermächtigung zum Verbot von Versammlungen enthalte.
Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: Das Verbot war
rechtswidrig. Versammlungen, bei denen die Ansteckungsgefahr nicht
größer ist als bei anderen Bewegungen im Alltag unter Beachtung der
rechtlichen Vorgaben und Hygieneempfehlungen der Behörden, sind
grundrechtlich geschützt. Der Schutz vor Gefahren müsse durch geeignete
Auflage statt Verbote erreicht werden. "Damit ist der Versuch der
Politik, sich unter dem Deckmantel des Infektionsschutzes eine
oppositions- und kritiklose Zeit zu ergaunern, vorbei!" rufen die
Initiatior*innen jetzt alle gesellschaftlichen Gruppe auf, sich wieder
lauter zu äußern. "Die Ausweitung der Überwachung, die Lage von
Flüchtenden an den EU-Außengrenzen und hier im Land, die Einstellung der
Hilfe für Bedürftige, Wohnungslose, Drogenkonsument*innen und viele
andere, die aufbrandenden Forderungen nach einem Ende von Klimaschutz
und Grundrente - wir lassen uns den Mund nicht weiter verbieten".
Nun rufen Aktive aus Gießen zu einem bundesweiten "Fridays for Grund-
und Menschenrechte" am kommenden Freitag, den 17.4. auf. Der Text (auch
als Anlage):
*Fridays for Grund- und Menschenrechte *(ein Aufruf aus Gießen)
Corona dominiert das gesellschaftliche Geschehen. Öffentliche Räume
und viele Läden sind geschlossen, die meisten Arten von
Zusammenkünften verboten, nur zwei Personen dürfen sich in der
Öffentlichkeit annähern. All das geschieht, um Menschen vor der
Krankheit zu schützen. Doch die Corona-Politik hat zwei Seiten.
Unter dem Deckmantel des Gesundheitsschutzes tritt der Staat Grund-
und Menschenrechte mit Füßen:
· An den EU-Außengrenzen werden Menschen unter üblen
Bedingungen zu vielen Tausenden zusammengepfercht – das genaue
Gegenteil der Abstandsregelungen in Deutschland.
· Viele Hilfsangebote und Anlaufstellen für Wohnungslose,
Drogenkonsument*innen und Menschen mit niedrigen Einkommen sind
geschlossen, während eine (sinnvolle!) Hilfswelle anläuft für die,
die eine Wohnung und Einkommen haben.
· Viele Tafeln sind geschlossen, Börsen arbeiten weiter.
EU und Deutschland bringen binnen weniger Tage riesige
Summen Geld auf (beide zusammen über eine Billion Euro), um vor
allem die Wirtschaft zu unterstützen. Die politischen
Entscheidungsprozesse zum Klimaschutz, zur Bekämpfung von
Fluchtursachen und Hunger werden hingegen in den Hintergrund
gedrängt. Aus etlichen Beiträgen in Parlamenten stimmberechtigter
Politiker*innen lässt sich befürchten, wichtige Projekte wie
Klimaschutz oder die Einführung der Grundrente weiter zurückzufahren.
Politiker*innen treten vor die Kameras und verkünden immer
neue Ideen, auch für die Zeit nach Corona. Demonstrationen mit
Kritik an politischen Entscheidungen aber werden in vielen Orten
verboten. Das System der „checks and balances“ droht zu kippen.
*Der Applaus für eine entschlossen handelnde Politik ist zu kurz
gedacht und gefährlich. Er übersieht, dass die Welt geteilt wird:
Einmal in die Menschen, die vor Corona geschützt werden, und die,
die wegen Corona noch stärker bedrängt werden. Zum anderen in die
Themen, die wichtig sind und in die Öffentlichkeit gedrückt werden,
und in unerwünschte Informationen und Forderungen, die bei Profit-
und Machtausbau eher stören und deshalb pausieren sollen. Kritik an
dieser Politik wird unterdrückt. Die Versammlungsfreiheit ist in
großen Teilen des Landes außer Kraft gesetzt – völlig unabhängig
davon, ob bei der Ausübung dieses Grundrechts die
Corona-Schutzregeln eingehalten werden oder nicht.*
Wehren wir uns gegen eine Politik, die in Menschenklassen einteilt!
Wehren wir uns gegen die Einschränkung von Grund- und
Menschenrechten. In Deutschland und vielen anderen Staaten Europas
sind durch entsprechende Schutzmaßnahmen Proteste möglich, deren
Risiken deutlich unter denen der erlaubten Begegnungen auf Fußwegen,
im Supermarkt oder am Arbeitsplatz liegen.
*Wo, wenn nicht hier, muss die Stimme laut werden, dass Corona kein
Grund ist, Menschen im Stich zu lassen oder zu gefährden,
Grundrechte mit Füßen zu treten, bestehende Ausgrenzungen zu
verschärfen oder aus Staats- und Kapitalsicht ungeliebte Themen
abzuwürgen.*
Zeigen wir am Freitag, den 17.4.2020 überall mit Versammlungen oder,
je nach Lage, anderen kreativen Aktionen: Wir unterstützen den
Schutz vor Corona, aber wir stellen uns einer Politik entgegen, die
die aktuellen Verhältnisse ausnutzt, um Menschen, Umwelt und unsere
Rechte zu beschädigen! Macht mit!
* Verbotsverfügungen (mit zusammengestellten Zitaten als Nachweis,
dass die Stadt eindeutig behauptet hat, es gäbe ein Gesetz zum
Verbot von Demos) und bisherige Gerichtsbeschlüsse auf
http://www.projektwerkstatt.de/index.php?p=21073
* Der Beschluss 1 BvR 828/20 unter
http://www.projektwerkstatt.de/media/text/verkehr_giessen200414verfbeschluss.pdf
























