Die aktuelle humanitäre Situation der Menschen in Afghanistan

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Abed Nadjib, ehemaliger gesandter Botschaftsrat an der Afghanischen Botschaft in Deutschland,am 27.April abends in der Bartholomäuskirche in Braunschweig Foto: Martin Brandes

Eine Veranstaltung von Amnesty International Braunschweig

Die Bartholomäuskirche war am Abend des 27. April voller sehr interessierter und engagierter Besucher. Abed Nadjib, ehemaliger gesandter Botschaftsrat an der Afghanischen Botschaft in Deutschland, berichtete auf Einladung von Amnesty International über die prekäre und bedrohliche Lage der Menschen in seinem schwer verwundeten Geburtsland.

Brigitte Riedel, die Vorsitzende von Amnesty International Braunschweig, stellte den hier bei uns in der Region im (Un)Ruhestand lebenden, früheren afghanischen Generalkonsul als einen Insider vor, der durch seine vielfältigen Kontakte direkt in Afghanistan und natürlich zu den vielen Afghanen im Exil, über konkrete Informationen über die aktuelle Lage vor Ort verfügt.

Trotz der höflichen, diplomatischen Gelassenheit, mit der Abed Nadjib, der vor vielen Jahren auch hier in Braunschweig studiert hat, über die aktuelle Situation in seinem Vaterland berichtete, merkte man doch seine Betroffenheit und vielleicht auch Verzweiflung, über die sich stetig zum schlechteren verändernde Lage der Menschen in Afghanistan.

Die Taliban demontieren gezielt alle wichtigen Errungenschaften der vergangenen Jahre bei den Menschenrechten, besonders schränken sie den Zugang zu Bildung für Frauen und Mädchen immer mehr ein, um ihn irgendwann sicherlich komplett zu versperren.

Abed Nadjiib nannte ein absurdes Beispiel: Damit die Studentinnen nicht mit ihren männlichen Komilitonen zusammentreffen, sollen alle Vorlesungen an der Universität jeweils für drei Tage nur für Frauen gehalten werden und weitere 3 Tage nur für Männer.

Taliban Kämpfer auf einem Pickup in Kabul (Website von Amnesty International – © xStringerx)

Terrorstrafen wie Steinigung und das Abhacken von Händen sind wieder eingeführt worden. Musiker werden gezwungen, so Nadjib, ihre Instrumente, mit denen sie “westliche” Musik machen können, selbst zu zerstören.

Die Taliban töten gezielt Zivilisten, blockieren Hilfslieferungen, verwenden sie für sich und nicht für die ursprünglichen Adressaten. Und auch sonst halten sie keine ihrer gegebenen Zusagen ein und sie interessieren sich auch generell nicht für irgendwelche “Roten Linien”, die von westlicher Seite so oft beschworen werden.

Die Taliban folgen damit ihrer zynischen Strategie der totalen Verachtung gegen alles sogenannte “Westliche”, was von Politikern über internationale Organisationen bis zu Diplomaten oder Entwicklungshelfern so ziemlich alles einschließt. Deren Geld zu nehmen und sie im Gegenzug zu Belügen und zu Betrügen – oder auch zu Töten- all das ist für die Taliban völlig legitim, denn sie alle sind die Feinde der von den Taliban vertretenen göttlichen Ordnung.

Abed Nadjib nannte bei seinem Vortrag einen wichtigen Grund, warum die Taliban sich keine Sorgen über mögliche westliche Reaktionen auf diese Strategie machen müssten: Afghanistan ist ein Land mit einer armen Bevölkerung, aber das Land ist reich. Reich an Bodenschätzen und Rohstoffen, an Erdöl, Erdgas, Gold, Diamanten, Seltene Erden. Das alles ist in Mengen vorhanden und wartet darauf, von denen ausgebeutet zu werden, die jetzt die Macht übernommen haben.

Helfen werden den Taliban ihre neuen besten Freunde und Verbündetete, die auch schon in großer Zahl im Land sind. Vor allem chinesische Investoren sind bereits vor Ort und sichern sich die Claims, die die Milliardengeschäfte versprechen. Dasselbe gilt auch für russische Unternehmen, für iranische Staatsfirmen und natürlich auch für den Nachbarstaat Pakistan und die guten Freunde und Verbündeten aus Dubai und Quatar.

Angesprochen auf die gigantischen Summen, die allein für Militärhilfen und Ausbildungsbemühungen für die afghanische Armee aufgewendet wurden, erklärte Abed Nadjib dieses Geld komplett für verloren. Die Taliban versuchen gerade, das Kriegsmaterial, dass sie nicht selber verwenden können, auf dem Weltmarkt zu verkaufen.

Kurze Zahleninformation: Deutschland pumpte in den letzten 20 Jahren 12,5 Milliarden Euro in die militärische Entwicklung des Landes. Alle zivilen Projekte zusammen durften sich Deutschlands restliche 7,5 Milliarden Euro teilen.

Abed Nadjib spricht sehr diplomatisch von den Fehlern der Vergangenheit, die von der afghanischen Seite, aber auch von der westlichen Helferseite gemacht wurden. Vor allem den Mangel an Verständnis für die unterschiedlichen Kulturen und ihre Denk- und Verhaltenmuster sieht er als besonders gravierend für das komplette Scheitern an.

Nie aber würde Abed Nadjib vom Aufgeben sprechen. Es ist schließlich seine geliebte Heimat. Wenn er auch im Braunschweiger Land seine zweite gefunden hat – so ist Afghanistan doch das Land seiner Geburt, in dem seine Seele wohnt.

So spricht er von neuen Verhandlungen, von neuen Strategien, von der Vorbereitung von freien Wahlen und von dem Recht und der Pflicht der Afghanen, selber über ihr Schicksal zu entscheiden.

Es wird niemand im gebannt zuhörenden Publikum gewesen sein, der ihm nicht gewünscht hat, dass er recht behalten wird.

Für weitere wichtige Informationen speziell über die bedrohliche Lage für die Menschenrechte und besonders die Rechte von Frauen in Afghanistan ein Link zu einem Artikel von PROASYL und einer Pressemitteilung von Amnesty International.

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