Von Carla Hinrichs, Sprecherin der Letzten Generation
Unterstützer:innen der Letzten Generation bekennen sich öffentlich zu ihrem Einsatz für das Leben
27.12.2022, 8:10 Uhr – Unter dem Hashtag #wirallesinddieletztegeneration haben über die Feiertage mindestens 1.332 Menschen die Staatsanwaltschaft Neuruppin darüber informiert, dass sie sich als Teil der Letzten Generation betrachten. Die dem Innenministerium weisungsgebundene Behörde hatte erst kürzlich elf Wohnungen von Unterstützer:innen der Letzten Generation durchsuchen lassen, weil sie ihnen die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ zur Last legt. Da die Unterstützer:innen klar davon ausgehen, dass Grundgesetz, Menschenrechte und auch der Paragraph §129 des StGB „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ selbst auf ihrer Seite sind, haben sie nun die Staatsanwaltschaft über ihre Beteiligung an der Gruppe informiert, um eine vollständige Prüfung zu beschleunigen.
Unter den ersten Selbstanzeigen war der Rechtsanwalt Mathis Bönte aus Münster.
„Die Staatsanwaltschaft Neuruppin verfolgt die #LetzteGeneration als kriminelle Vereinigung. Da möchte ich nicht fehlen und habe mich daher selbst angezeigt. Wer angesichts der Klimakrise Alarm schlägt, gefährdet damit nicht die öffentliche Sicherheit“, schreibt er in einem Tweet. In der angehängten E-Mail an die Staatsanwaltschaft legt er seine juristische Argumentation dar: Im Angesicht der „existentielle[n] Gefahr für die menschliche Zivilisation“, die von der Klimakatastrophe ausgeht, ist ziviler Widerstand nicht nur legitim, sondern auch vom deutschen Rechtsstaat gedeckt, so Bönte.
Diese Auffassung trifft auf einige Zustimmung in der Fachwelt: In einer Gemeinsamen Erklärung haben Anwaltsvereine und -bewegungen, wie der Verein „Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte e. V.“, zu dessen Mitgliedern auch Bundeskanzler Olaf Scholz zählt, festgehalten, dass sie den Vorwurf einer kriminellen Vereinigung für ungerechtfertigt und unverhältnismäßig halten.
Insgesamt nutzten innerhalb von fünf Tagen 382 Menschen ein Formular auf der Website der Letzten Generation, um offiziell ihre Unterstützung zu erklären. Eine Petition, bei der sich die Unterzeichner:innen ihr Mitwirken bei der Letzten Generation beglaubigen, sammelte zeitgleich 950 Unterschriften (Stand 26.12.2022). Hinzukommen Bürger:innen, die sich auf anderem Wege an die Staatsanwaltschaft Neuruppin gewendet haben. Etwa per E-Mail, per Telefonanruf, wie in diesem Video zu sehen oder wie Jesuitenpater Dr. Jörg Alt der sich gemeinsam mit Prof. Dr. Stefan Bauberger bei der Polizeiinspektion Nürnberg Mitte selbstanzeigte.
Es bleibt abzuwarten, ob nun bei all diesen Bürger:innen auch Hausdurchsuchungen folgen werden.
Gleichzeitig sitzen weiterhin acht Unterstützer:innen der Letzten Generation in München im Gefängnis und verbringen die Weihnachtsfeiertage in einer Zelle.
Sprecherin der Letzten Generation Carla Rochel hält fest: „Unser demokratischer Protest ist absolut notwendig, wenn man sieht, dass wir völlig ungeschützt in eine Klimakatastrophe hinein rasen. Statt gegen friedliche Bürger:innen zu ermitteln, sollte die Regierung sich lieber um erste Sicherheitsmaßnahmen wie das 9-Euro Ticket oder ein Tempolimit 100 kümmern. Wer ist hier kriminell? Wir haben nichts zu verstecken, weil wir das Richtige tun!“
Hintergrundinformationen:
Die UN sieht keinen glaubhaften Kurs mehr, auf dem die 1,5-Grad-Grenze noch eingehalten werden kann. Um die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch zu begrenzen, braucht es, so heißt es im kürzlich veröffentlichten Umweltbericht, einen radikalen gesellschaftlichen Wandel. Alle Szenarien des IPCC ergeben, dass wir die 1,5-Grad bereits um das Jahr 2030 herum erreichen werden. Mit dem Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze wird das Auslösen von fünf Klimakipppunkten wahrscheinlich, fünf weitere können ab diesem Punkt ebenfalls ausgelöst werden. Die selbstverstärkenden Effekte, die durch den Menschen dann nicht mehr kontrollierbar sind, treiben die Temperatur noch viel weiter nach oben, sodass wir durch das Verfehlen der 1,5 Grad-Grenze automatisch auf 2-3 Grad globale Erwärmung zusteuern. Was wiederum das Kippen weiterer Elemente begünstigt.
UN-Klimachef Simon Stiell wendet sich mit deutlichen Worten an die Vereinten Nationen:“Die Entscheidungen der Regierungen müssen jetzt die Dringlichkeit und das kleine Zeitfenster widerspiegeln, das uns noch bleibt, um die verheerenden Folgen eines ungebremsten Klimawandels zu vermeiden.“






















Das ist alles schon recht gruselig. Etwas mehr an Interpretation zur Meldung steht bei dem Bericht in telepolis zur ‚Selbstanzeige-Kamagne‘ unter
https://www.heise.de/tp/features/Die-Selbstanzeigekampagne-der-Letzten-Generation-und-ihr-Vorlaeufer-7443994.html
Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass Kapitalismus eher die Ökologie des Planeten vernichtet als selbst zu sterben. Das kann niemand wollen.
Ausser vielleicht der Herr Pistolius. Unser Polizeiminister und seine ‚Organe‘ scheinen manchmal Demokratie und Kapitalismus gleich zu setzen, und wer „ein anderes System“ (als diesen selbstmörderischen, kannibalischen Kapitalismus) will, ist automatisch ein Feind der Demokratie.
Das ist natürlich dummes Zeuch. Hier ist viel Raum zur Debatte.