Von Michael von der Schulenburg und Ruth Firmenich, Abgeordnete im Europäischen Parlament
Vorbemerkung der Redaktion: Die EU als Raum des Rechts, der Meinungsfreiheit, der Demokratie und des sozialen Ausgleichs, vor allem aber des Friedens – diese Bild war fest verankert im Bewusstsein der meisten Bürgerinnen und Bürger. Leider scheint es immer weniger zu stimmen. Nachdem für alle sichtbar Feindbilder, Rüstung und Drohungen zunehmend die außenpolitischen Aktivitäten der EU-Staaten prägen, zeichnen sich jetzt ähnlich rückschrittliche Bestrebungen im innenpolitischen Bereich ab. Tendenz: gefährlich!
Presseerklärung der BSW-Europaabgeordneten Michael von der Schulenburg und Ruth Firmenich
Die Entscheidung des EU-Rats für Auswärtige Angelegenheiten, weitere europäische Bürger zu sanktionieren – darunter den ehemaligen Schweizer Geheimdienstoffizier und pensionierten Oberst Jacques Baud – stellt einen weiteren schweren Schlag gegen die Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union dar. Mit den nun beschlossenen Maßnahmen gegen Jacques Baud wegen angeblicher ‚Desinformationsaktivitäten‘ versucht die politische Elite der EU einen der renommiertesten Analysten des Ukrainekrieges zum Schweigen zu bringen, sagt von der Schulenburg. „Die EU nutzt die Sanktionsliste als Instrument gegen Kritiker und manövriert sich immer weiter in einen Abgrund der Gesetzlosigkeit“, so Ruth Firmenich.
Sanktionen gegen europäische Bürger wegen „Desinformation“
Ohne solide Rechtsgrundlage werden europäische Bürger wegen ‚Desinformation‘ sanktioniert. Gleichzeitig soll in dieser Woche die rechtswidrige Umwandlung von dauerhaft eingefrorenen Vermögenswerten der russischen Zentralbank in Sicherheiten für Kredite an die Ukraine erfolgen. Parallel dazu läuft vor dem EuGH ein Verfahren wegen der unrechtmäßigen Anwendung von Artikel 122 als Rechtsgrundlage für die 150 Milliarden Euro schwere SAFE-Verordnung.
Mit ihren Maßnahmen bedroht die EU die Rechtsstaatlichkeit. Schulenburg und Firmenich fordern: „Das Europäische Parlament muss jetzt handeln. Es kann die Aufhebung des Sanktionsrahmens für ‚Desinformation‘ beantragen – und es muss von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.“
Rechtsgutachten: … mit dem Recht der Europäischen Union unvereinbar
Ein kürzlich im Auftrag der Europaabgeordneten Michael von der Schulenburg und Ruth Firmenich erstelltes Rechtsgutachten – abrufbar unter https://tinyurl.com/4pkttj6z – stützt diese Kritik. Darin kommen Prof. Dr. Ninon Colneric, ehemalige Richterin am Europäischen Gerichtshof (früher: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften), und Prof. Dr. Alina Miron, Professorin für internationales Recht an der Universität Angers, zu dem Ergebnis, dass zahlreiche Elemente des EU-Sanktionsrahmens gegen „Desinformation“ mit dem Unionsrecht unvereinbar sind. Zudem benennen sie erhebliche Defizite bei der Wahrung grundrechtlicher Mindeststandards.
Besonders kritisch bewerten die Gutachterinnen die Verweigerung des Rechts auf Anhörung für Personen, denen Desinformation vorgeworfen wird, bevor Sanktionen gegen sie verhängt werden. Dieses Vorgehen sei unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Der Schaden, der „einer der tragenden Säulen der Demokratie – der Meinungsfreiheit – zugefügt wird“, stehe in keinem angemessenen Verhältnis zum Ziel der Bekämpfung von Desinformation. Die Maßnahmen verstießen sowohl gegen die Verhältnismäßigkeitsanforderungen des EU-Rechts als auch gegen Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
„Der Meinungsfreiheit wird schwerer Schaden zugefügt“
Darüber hinaus seien die im Rahmen des Sanktionsregimes vorgesehenen Einschränkungen der Freizügigkeit von EU-Bürgern rechtswidrig, während die rechtlichen Garantien für die Betroffenen insgesamt unzureichend ausfielen. Die verwendeten Begriffe wie „Informationsmanipulation und Einmischung“ seien derart weit gefasst, dass sie dem Rat faktisch eine nahezu uneingeschränkte Ermessensfreiheit bei der Verhängung von Sanktionen einräumten. Dies eröffne die Gefahr politisch motivierter Verfolgung.
Abschließend betonen die Autorinnen die abschreckende Wirkung des neuen Sanktionsregimes auf Journalisten. Es mache riskant, Themen von öffentlicher Kontroverse aufzugreifen, da Informationen jederzeit als „Desinformation“ eingestuft werden könnten. Das Regime könne Journalisten und andere Akteure davon abhalten, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Information uneingeschränkt wahrzunehmen.
Brüssel, den 15. Dezember 2025





























