Es gibt kein Recht auf Pflicht

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Justitia an der Außenwand der Staatsanwaltschft am Fritz Bauer Platz. Sie hält nicht Waage und Schwert in ihren Händen, sondern zwei Menschen. Sie hat auch keine Augenbinde. Für Fritz Bauer ist diese Justitia Sinnbild der Gerechtigkeit. Idee und Entwurf: Fritz Bauer. Ausführung: Bodo Kampmann (1913-1978) . Foto: Uwe Meier

Von Klaus Knodt

Der erste Sündenfall der Bundesrepublik Deutschland

Seit der Bedrohung durch Russland mehren sich die Stimmen, die ausgesetzte Wehrpflicht wieder einzuführen. Die Bundeswehr braucht einen Aufwuchs auf rd. 260.000 Soldaten. Dies soll geschehen, indem man ein eingemottetes Gesetz wieder erweckt: die Wehrpflicht für junge Männer.

Artikel 3 unseres Grundgesetzes ist eindeutig. In Art. 3.1 GG heißt es: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“. Lt. Art. 3.3 GG darf „niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung… (etc.) benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Tatsächlich werden Männer zukünftig ab dem 18. Lebensjahr benachteiligt. Im Gegensatz zu Frauen unterliegen sie der Wehrüberwachung. Sie können inhaftiert oder an der Ausreise gehindert werden. Sie unterliegen einem Wehrstrafgesetz, das ausschliesslich für Männer gilt. Frauen, die nicht dienen wollen, müssen nicht einmal den Fragebogen zur Wehrpflicht ausfüllen. Männern droht Strafe.

Als man in den 50-er Jahren das Wehrdienstgesetz einführte, war die Welt noch simpel: Männer kümmerten sich um den Hof, das Plumpsklo und die Mauern. Frauen kümmerten sich um Kinder, Küche und Kohleherd.

Daran hat sich in 70 Jahren viel geändert. Mittlerweile sind 53% aller Hochschulabsolventen weiblich. Sie können aber lt. Art. 12a GG nicht zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden. Diese „Verpflichtung“ bleibt ein Privileg (oder ein Missleg) für Männer ab dem vollendeten 18. Lebensjahr.

Aber es gibt kein Grundrecht auf Pflicht.

Die Einfügung des Art. 12a GG war schlichtweg verfassungswidrig, weil er den Art. 3 GG aushöhlte. Das hat bis 1978 kein Gericht in der damaligen Bundesrepublik gestört.

Später wurde Art. 17a GG eingefügt, der die Grundrechte für Wehr- oder Ersatzdienstleistende weiter einschränkte (Gesetze über Wehrdienst und Ersatzdienst können bestimmen, dass für für die Angehörigen der Streitkräfte und des Ersatzdienstes … das Grundrecht das, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äussern und zu verbreiten … eingeschränkt werden.“)

Auch dieser Zusatz war verfassungswidrig. Es gibt kein Grundrecht auf die Einschränkung von Grundrechten.

Art. 19 GG Abs. 2 bestimmt eindeutig: „In keinem Fall darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“ Diese Einschränkungen sind aber mit Art. 12a GG und 17a GG vollzogen worden. Ein Grundrecht wird auch dadurch angetastet, dass man seinen Wesenskern bis zur Entstellung verstümmelt.

Art. 12 GG Abs. 2 bestimmt: „Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.“

Das GG ist durch seine Ergänzungen hier widersprüchlich.

FAZIT: Eine ausschliesslich für Männer geltende Wehr- oder Ersatzdienstpflicht ist daher seit 70 Jahren verfassungswidrig. „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung… (etc.) benachteiligt oder bevorzugt werden“. Man kann den Fehler heilen, indem man die Art 12a GG und 17a GG löscht.

P.S.: Nur weil Etwas 70 Jahre rechtswidrig ist, ist es kein Recht.

Es gibt kein Recht auf Pflicht.

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