Von Volker Rekittke, Nachdenkseiten
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine Denkschrift veröffentlicht: „Welt in Unordnung – Gerechter Friede im Blick. Evangelische Friedensethik angesichts neuer Herausforderungen“. Viele Aussagen darin passen auffallend gut zum Aufrüstungs- und Militarisierungskurs der Bundesregierung. Doch es regt sich Widerstand.
Stell dir vor, es ist Krieg – und die Spitze der Evangelischen Kirche hat gar nicht erst nach Wegen gesucht, ihn zu verhindern. Das wäre eine Zäsur. Denn vor 2000 Jahren soll der Gründer der christlichen Weltreligion in seiner wohl wichtigsten Rede, der Bergpredigt, laut dem Matthäus-Evangelium verkündet haben: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“[1] Jesus Christus forderte nicht weniger als Feindesliebe – übersetzt auf heutige Verhältnisse könnte darunter der Appell verstanden werden, das Schmäh-Wort vom „Putin-Versteher“ endlich in diesem Sinne zu begreifen: Jeder Friedensschluss fängt mit Zuhören an, mit dem Versuch, die Positionen des Gegners zu verstehen. Ohne diesen Versuch wird der Krieg in der Ukraine nie enden, oder er endet, im Atomzeitalter, dann doch irgendwann – in einer radioaktiv verseuchten Wüste. Weiter



























Dazu schrieb schon Abt Jerusalem vor mehr als einem viertel Jahrtausend in seinem Buch „Von den vornehmsten Wahrheiten der Religion“:
„Wie traurig, dass Menschen, die die deutlichsten Kennzeichen der Blutsfreundschaft und einer gemeinschaftlichen Abstammung an sich haben, die in ihren Empfindungen sich so ähnlich und durch so viele Bande untereinander verbunden sind, vernünftige Menschen, die so viele weise und billige Gesetze zu ihrer gemeinschaftlichen Wohlfahrt untereinander errichtet haben, dass diese noch kein anderes Mittel haben, ihre Forderungen gegeneinander auszumachen, als was Tiger gegen Tiger haben; dass oft nur um den Ehrgeiz, den Eigennutz oder die Rache einiger weniger zu befriedigen so viele tausend Unschuldige mit ihren Gütern, ihrer Freiheit, ihrem Leben die Opfer werden müssen; dass so viele tausend edle und würdige Menschen, deren Leben eine Wohltat und Zierde der Menschheit ist, ihr Blut, so oft es von ihnen gefordert wird, mit dem Blute der Tiere vermischt zu diesen Opfern auf den fürchterlichen Wahlstätten, wo der schnellste Tod noch eine Wohltat ist, mit vergießen müssen; dass noch so viele tausend andere aus den Armen der Ihrigen, von ihren nützlicheren Geschäften wider ihren Willen dazu hingerissen werden; dass noch wieder so viel andere, sobald sich eine dergleichen blutige Szene nur öffnet, scharenweise, ohne zu wissen, worauf es ankommt, ihr Leben für einen geringen Sold dem Freunde und Feinde willig verkaufen und, wenn sie es zur ganzen Beute davon getragen, sich dieses traurige Erhaltungsmittel gleich wieder wünschen; und dass endlich nach all diesem Blutvergießen die übrig gebliebene Menschheit für ihre künftige Ruhe nie etwas gewinnt, dass die neuen Aufrüstungen, die die Furcht immerfort erfordert, selbst im Frieden alle dessen Früchte wieder verschlingen und dass die Verträge und Friedensschlüsse selbst nichts als Anlagen zum neuen Kriege sind, der, sobald die Menschen (nicht anders, als wenn es ihre erste und natürlichste Bestimmung wäre) zu dem nötigen Maße der Stärke nur herangewachsen und die erschöpfte Natur aus ihrer Ohnmacht sich kaum wieder erholt, mit eben der Wut und mit ebenso wenigem Gewinn wieder anfängt […]“