Griechenland hat ein neues Parlament gewählt und die Aktienkurse purzeln weltweit. Politiker geben besorgte Kommentare ab: Was soll nun geschehen, damit die drakonischen Sparmaßnahmen der EU in Griechenland durchgesetzt werden?
Ich war im März und im April dieses Jahres in Thessaloniki in der evangelischen deutschsprachigen Gemeinde als Vertretung für den erkrankten Pfarrer. Viele habei ich getroffen, die als Deutsche schon lange in Griechenland leben, zum Teil seit dreißig oder sogar vierzig Jahren, Heiratsmigrantinnen, Geschäftsleute, Rentner, Aussteiger. Sie haben mir ein ungeschminktes Bild der griechischen Wirklichkeit gezeichnet, ein Bild, das in den deutschen Medien eher weniger beschrieben wird.
Die Lebenshaltungskosten in Griechenland sind ähnlich hoch wie in Deutschland, die Lebensmittelpreise eher höher.

Demonstration für die Anerkennung illegaler Einwanderer
Renten wurden brutal bis zu 40 Prozent gekürzt, viele Angestellte bekommen um die 30 Prozent weniger Gehalt. Hunderttausende aber sind arbeitslos und bekommen nur noch für ein Jahr Arbeitslosenunterstützung. Immobilien werden hoch besteuert, so dass manche ihr Haus und Grundstück nicht mehr halten können. Aber verkaufen geht auch nicht. Man bekommt nichts mehr fürs Häuschen, das als Alterssicherung dienen sollte.
Alexia C., die Sozialarbeiterin der Gemeinde, eine Griechin, die in Deutschland aufgewachsen ist, organisiert Flohmärkte mit Second-Hand-Bekleidung. Sie tröstet Menschen am Telefon, versucht Tipps für kleine Einkommensquellen zu geben. Sie selbst verdient mit ihrer Vollzeittätigkeit bei der Gemeinde gerade mal 850 Euro netto im Monat. Das immerhin noch mehr als der Mindestlohn für ihre Tätigkeit als qualifizierte Fachkraft.

Thessaloniki – Stadt am Ägäischen Meer
Ich selbst habe in Thessaloniki Menschen gesehen, die Müllcontainer nach Essen durchsucht haben. Die orthodoxe Kirche hat Suppenküchen für Arme eingerichtet. In der evangelischen Gemeinde werden Nudeln und Olivenöl für bedürftige ältere Menschen ausgegeben. Viele schämen sich, weinen, wenn sie um Hilfe bitten.
Trotz dieser Notlage setzen sich Gruppen für die Migrantinnen und Migranten ein, die vor allem aus Afghanistan, dem Irak und Kurdistan über den Grenzfluss Evros nach Griechenland kommen. Die meisten sind illegal in Griechenland, sie sollen in Lagern zusammengefasst werden. Sie haben keine Chance, Asyl zu beantragen. Die dafür zuständigen Behörden sind geschlossen oder die Asylsuchenden werden von Thessaloniki nach Athen verwiesen. Sie können aber die Fahrtkosten für die 500 Kilometer nicht aufbringen. Ich habe eine Demonstration für diese Migrantinnen und Migranten „ohne Papiere“ erlebt und auch ein von ihnen besetztes Haus besucht. Kirchliche Frauengruppen aus Deutschland finanzieren zurzeit die Verpflegung der 12 Familien mit 65 Personen.
Und die Parlamentswahl? Erstaunlich war für mich, wie wenig Wahlwerbung im Vorfeld der Wahl zu sehen war. Die meisten, die ich zur Wahl befragte, waren ratlos. „Die Politiker der großen Parteien sind korrupt und haben uns betrogen. Jetzt verstecken sie sich. Wir wissen gar nicht, wen wir wählen sollen.“ Dass sich viele in ihrer Enttäuschung für kleine linke und rechte Parteien entschieden haben – wen wundert es?
Während meines Aufenthaltes bin ich niemals auf Deutschfeindlichkeit gestoßen, wie sie in den Medien dargestellt worden sind. Die meisten meiner Gesprächspartner räumten ein, dass sich vieles ändern müsse, vor allem auch die Subventionsmentalität und die Arbeitsmoral im öffentlichen Dienst. Die Korruption müssen konsequenter bekämpft werden. Manchmal stieß ich auch auf ironische Bemerkungen wie: „Ich weiß gar nicht, was ihr Deutschen wollt, gebt uns doch ein bißchen Geld, wir sind schon zufrieden, wenn wir im Kafenio einen Kaffee trinken und Freunde treffen können …“





















