Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) treibt die Errichtung einer Atommüllfabrik („Konditionierungsanlage“) und eines langfristigen Zwischenlagers an der Asse voran. Das Tempo des staatlichen Betreibers von Asse II bei der Errichtung eines neuen Atommüll-Komplexes steht in frappierendem Gegensatz zur Langsamkeit bei der Rückholung des Atommülls aus dem maroden Salzbergwerk. Mehr als zehn Jahre nach dem Beschluss zur Rückholung gibt es noch immer keinen Masterplan dafür, noch immer keine Bergetechnik, noch immer keinen neuen Schacht 5, der für Bergung des Atommülls notwendig ist.
Es verdichten sich Verdachtsmomente, dass hier unter dem Vorwand, Anlagen für den Atommüll aus Asse II zu errichten, eher ein Umschlagplatz für die Vorbereitung des nicht hitzeentwickelnden Atommülls aus der ganzen Republik zur Einlagerung in das alte Eisenerzbergwerk Schacht Konrad in Salzgitter entstehen soll, das nur 25 km von Asse II entfernt liegt.
Für die offiziell deklarierte Rückholung des Atommülls aus Asse II könnte mit Inkrafttreten des aktuellen Strahlenschutzrechts nämlich die rechtliche Rechtfertigung entfallen sein. Mit dieser neuen Strahlenschutzverordnung wurden ab 2019 diverse Sicherheitsreserven gestrichen. Nun dürfen aus einer Atomanlage deutlich höhere Emissionen (gemessen in Becquerel) entweichen, bis der gleich gebliebene, über Modelle errechnete Grenzwert der Belastung von Anwohner/-innen erreicht wird. Allein über die Anwendung des neuen Berechnungsverfahrens für die Ausbreitung, hätten sich die errechneten Belastungen der Menschen an der Asse (in mSv) um ca. den Faktor 10 reduziert, bei praktisch gleich gebliebenen Emissionen aus Asse II (in Bq).
Ein politisch oder juristisch erzwungener Abbruch der Rückholung könnte sich stützen auf §57b AtG, Absatz 2, Satz 4: „Die Rückholung ist abzubrechen, wenn deren Durchführung für die Bevölkerung und die Beschäftigten aus radiologischen oder sonstigen sicherheitsrelevanten Gründen nicht vertretbar ist.“
Schon am 13. Januar 2020 hat der Asse II-Koordinationskreis sowohl BGE-Geschäftsführer Stefan Studt (SPD) als auch den niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies (SPD) auf einer großen Veranstaltung in Remlingen mit den beiden rechtlichen Problemfeldern konfrontiert und verlangt, sie sollten darstellen, wie denn angesichts dieser Probleme die Genehmigungsfähigkeit einer Rückholungsplanung sichergestellt werden soll.
Auch erneute Nachfragen hierzu wurden bisher nur ausweichend beantwortet, ohne fachliche Begründung. Offensichtlich weiß niemand, wie eine etwaige zukünftige Rückholung für den Atommüll aus Asse II genehmigt werden kann.
Strahlenschutzrechtlicher Hintergrund:
Die neue Strahlenschutzgesetzgebung sieht die Anwendung eines neuen Berechnungsverfahrens für die Ausbreitung nach dem sogenannten „ARTM-Partikelmodell“ vor, anstatt des bisherigen „Gauß-Fahnenmodells“. Zusätzlich wurden die Sicherheiten für die Menschen an Atomanlagen weiter reduziert, da neue Randbedingungen für die Berechnungen in der Strahlenschutzverordnung aufgestellt werden.
In Anlage 11 zu den §§ 100, 101, 102 (siehe hier) heißt es, dass der Dosisberechnung zugrundegelegt werden soll:
a) ein reduzierter Aufenthalt der Anwohner im Freien (Teil B Tabelle 3);
b) Anwohner befinden sich nicht mehr am kritischen Aufpunkt (Teil C 6e);
c) Lebensmittel werden nicht mehr komplett am kritischen Aufpunkt angebaut (Teil C 6c).





















