70 Jahre sind es nun her, dass Deutschland vom Faschismus befreit wurde – nicht jedoch vom Militarismus. Vor fünf Jahren, also zum 65. Jahrestag der Befreiung, hielt Dr. Helmut Kramer eine bemerkenswerte Rede an der Gedenkstätte Schillstraße. Diese Rede gilt es heute in Erinnerung zu rufen, denn sie ist nach wie vor hoch aktuell. Darum veröffentlicht sie der Braunschweig-Spiegel, der die Rede aus „Justizgeschichte aktuell“ nach Rücksprache mit dem Autor entnommen hat.
„Wir gedenken der 65 Millionen Opfer, aber warum reden wir nicht auch von den Tätern?“ (Helmut Kramer)
Ankündigungsplakat zum 8. Mai zum 65. Jahrestag der Befreiung
REDE
Heute, vor 65 Jahren kapitulierte das faschistische deutsche Regime vor der Anti-Hitler-Koalition. Es war nicht das Ende faschistischer und militaristischer Gesinnung. Noch am 9. Mai 1945 verurteilte ein Wehrmachtsrichter in Norwegen vier junge deutsche Soldaten zum Tode. Sie hatten sich geweigert, gegen die „Bolschewisten“ weiterzukämpfen. Mit jenem Richter habe ich später hier am Braunschweiger Landgericht zusammenarbeiten und an einem Richtertisch sitzen müssen.
Ihm und Tausenden anderer Mörder in der Robe (die amerikanischen Richter sprachen von dem „unter der Robe verborgenen Dolch“) ist nie der Prozess gemacht worden, ebenso wenig wie den meisten anderen Funktionären und Schreibtischtätern des Unrechtsregimes. Kein einziges der 80.000 Todesurteile der NS-Juristen wurde je gesühnt. Warum? Unsere Politiker, aber auch viele Bürger, blieben noch Jahrzehnte dem alten Denken verhaftet. Von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten hielten sie wenig.
Was den Faschismus des Dritten Reiches besonders gefährlich machte, bedrohlich für die gesamte Menschheit, war seine enge Verbindung mit dem Militarismus. Erst das ermöglichte den Aufstieg Hitlers und den Vernichtungskrieg der Wehrmacht, dem allein in der Sowjetunion 27 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Deshalb war nach dem 8. Mai 1945 eine der wichtigsten Antithesen zur NS-Diktatur: „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.“ Diese Verbindungslinie zwischen Faschismus und Militarismus sollten wir auch heute im Auge behalten. Wir könnten uns ja beruhigt vor die Fernsehgeräte zurücklehnen, wenn es sich bei der Bundeswehr um eine Armee handelte, die allein der Landesverteidigung diente. Weiter auf der PDF





















