Vorbemerkung der Redaktion: Unermüdlich bemüht sich Jeffrey Sachs, US – amerikanischer Wirtschaftsprofessor mit vielfältigen Erfahrungen aus Russland und Osteuropa, uns Europäern klar zu machen, dass unsere Staaten in eine Falle gelaufen sind. Die Angst vor Russland und China bestimme ihre Außenpolitik, die aber gegen ureigene Interessen verstoße und uns in eine immer drängendere Abhängigkeit von den USA bringen. Dabei sei die der Angst zugrundeliegende Prämisse, dass Russland eine gegen den Westen gerichtete imperialistische Macht sei, grundfalsch. Um das nachzuweisen, unternimmt Sachs eine Reise durch 200 Jahre russischer Politik gegenüber dem Westen. Im letzten Teil seines umfangreichen Aufsatzes skizziert er „10 praktische Schritte für eine neue Außenpolitik für Europa“; mit anderen Worten: was wäre zu tun, wenn sich Europa aus der Falle befreien wollte. Von dieser Bedingung sind die europäischen Regierungschefs allerdings meilenweit entfernt. Derzeit sieht es eher danach aus, dass sie alles tun, um ihre Völker immer tiefer in die Sackgasse zu treiben. – Im Folgenden der Aufsatz, der in der Berliner Zeitung erschienen ist. (a.m.)
Europa in der Falle…
Die Europäische Union braucht eine neue Außenpolitik, die auf den wahren Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen Europas basiert. Europa befindet sich derzeit in einer selbst geschaffenen Wirtschafts- und Sicherheitsfalle, die durch seine gefährliche Feindseligkeit gegenüber Russland, sein gegenseitiges Misstrauen gegenüber China und seine extreme Verwundbarkeit gegenüber den Vereinigten Staaten gekennzeichnet ist.
Die europäische Außenpolitik wird fast vollständig von der Angst vor Russland und China bestimmt – was zu einer sicherheitspolitischen Abhängigkeit von der Vereinigten Staaten geführt hat. Die Unterwürfigkeit Europas gegenüber den USA rührt fast ausschließlich von seiner übergeordneten Angst vor Russland her, einer Angst, die durch die russophoben Staaten Osteuropas und eine falsche Darstellung des Ukraine-Krieges noch verstärkt wurde.
Ausgehend von der Überzeugung, dass Russland ihre größte Sicherheitsbedrohung darstellt, ordnet die EU alle anderen außenpolitischen Fragen – Wirtschaft, Handel, Umwelt, Technologie und Diplomatie – den Vereinigten Staaten unter.
Ironischerweise hält sie eng an Washington fest, obwohl die Vereinigten Staaten in ihrer eigenen Außenpolitik gegenüber der EU schwächer, instabiler, unberechenbarer, irrationaler und gefährlicher geworden sind – sogar so weit gehend, die europäische Souveränität in Grönland offen zu bedrohen. Um eine neue Außenpolitik zu gestalten, muss Europa die falsche Annahme seiner extremen Verwundbarkeit gegenüber Russland überwinden.
Das Narrativ von Brüssel, der NATO und Großbritannien besagt, dass Russland von Natur aus expansionistisch ist und Europa überrennen wird, wenn sich die Gelegenheit bietet. Die sowjetische Besetzung Osteuropas von 1945 bis 1991 soll diese Bedrohung heute verdeutlichen. Dieses falsche Narrativ missversteht das russische Verhalten in Vergangenheit und Gegenwart grundlegend.




























